Re: Versagen freie Foren?
Verfasst: 13.10.2012, 20:09
Die Parallelwelt des Jörg Kachelmann
13. Okt 2012 | von Johannah Illgner | Kategorie: Gesellschaft
Das vermeintliche Justiz- und Medienopfer Jörg Kachelmann?
Die Kachelmannsche PR-Maschinerie hat den Startschuss gegeben: Falschbeschuldigen im Zusammenhang mit Vergewaltigungsvorwürfen seien ein Massenphänomen – dies ist ein fatales Signal an die Opfer sexueller Gewalt.
Ein Kommentar von Johannah Illgner
(....)
Inhaltlich verteidigt sich der Moderator gegen die damals erhobenen Vorwürfe und beklagt vor allem den Umgang mit seiner Person in der Öffentlichkeit. Diese Wahrnehmungen muten streckenweise allerdings mehr als befremdlich an, denn in der Welt der Kachelmanns gibt es eine „Opferindustrie”, in der Alice Schwarzer und ihre „Vasallinnen” Feldzüge gegen falschbeschuldigte Männer führen und so angeblich eine Kriminalisierung des männlichen Geschlechts anstreben würden. Diese O-Töne sind einem Interview des Spiegel mit Kachelmann – oder nennen wir es eher Verkaufsgespräch – entnommen.
Der Spiegel flankiert diese unfassbaren Aussagen über die „gewohnheitsmäßig männerverurteilende Justiz” mit aufmunternden Nachfragen und Anregungen und erhält Antworten wie diese: „Im Bereich Missbrauch und Vergewaltigung sind Falschbeschuldigungen ein Massenphänomen geworden”. Eine solche Aussage in einem der meistgelesenen Magazine Deutschlands ist verheerend.
Diese Behauptung entspricht zuallererst nicht der Wahrheit und noch viel schlimmer, sie hat eine fatale Signalwirkung für Opfer. Es wird impliziert, dass ein Großteil der Beschuldigungen bei Missbrauch und Vergewaltigung nicht stimmen, also schlichtweg erstunken und erlogen sind. Einen solchen Generalverdacht gegen die Opfer zu erheben, ist mehr als fahrlässig. Nicht nur wird den Opfern hier signalisiert, dass sie generell nicht glaubwürdig sind, sondern sie werden auch unter den Generalverdacht der Falschbeschuldigung gestellt.
Entgegen Kachelmanns Äußerungen ist der tatsächliche Anteil falscher Beschuldigungen bei Sexualdelikten verschwindend gering. Die Quote zu Unrecht beschuldigter Vergewaltiger liegt bei nur drei Prozent. Auch in anderen Ländern ist das Problem der Falschanschuldigung gering und rangiert zwischen einem und neun Prozent.
Die Realität: Massive sexuelle Gewalt gegen Frauen
Die Fakten sprechen gegen Herrn Kachelmanns Unfug: Fast jede siebte Frau in Deutschland ist von sexueller Gewalt betroffen. Dreizehn Prozent der in Deutschland lebenden Frauen haben seit ihrem sechzehnten Lebensjahr strafrechtlich relevante Formen sexueller Gewalt erlebt. Das heißt Vergewaltigung, versuchte Vergewaltigung oder unterschiedliche Formen von sexueller Nötigung. Rund fünfundzwanzig Prozent der in Deutschland lebenden Frauen haben körperliche oder sexuelle Gewalt (oder beides) durch aktuelle oder frühere Beziehungspartnerinnen oder -partner widerfahren.
(....)
Kachelmann nutzt hier seine privilegierte Position als Prominenter und verbreitet in klassischer PR-Angriffsmanier über die großen deutschen Medien seine Sicht der Dinge. Damit erweist er den Opfern sexueller Gewalt einen Bärendienst, denn nun dominiert seine Sicht die aktuelle Debatte zum Thema und gibt dem verzerrten Bild der Kachelmannschen Realität Raum.
Im Zweifel für den Angeklagten: Freispruch nicht aus Unschuld
Keine Gerechtigkeit für Opfer sexueller Gewalt?
Um daran zu erinnern, wie Kachelmanns Freispruch begründet wurde, sei darauf verwiesen, dass das Landgericht Mannheim nicht von der Unschuld des Angeklagten überzeugt war, sondern ihn nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ freigesprochen hat. In der Urteilsbegründung wurde deutlich gemacht, dass der Freispruch nicht drauf beruhe, „dass die Kammer von der Unschuld von Herrn Kachelmann und damit im Gegenzug von einer Falschbeschuldigung der Nebenklägerin überzeugt ist“. Das Gericht hat Jörg Kachelmann aus Mangel an Beweisen nicht verurteilen können und deshalb freigesprochen.
Ein wichtiger Punkt ist hier, dass das Gericht eben nicht von einer Falschbeschuldigung der Nebenklägerin ausgeht. Trotzdem druckt der Spiegel munter Kachelmanns Unschuldsversicherungen ab, er sei “nie gewalttätig” gewesen und habe erst recht niemals jemanden vergewaltigt. Vielleicht entspricht dies der Wahrheit, ein Freispruch an Mangel an Beweisen ist dafür aber noch lange kein Beleg.
Schade, dass der Spiegel hier eine moralisch mehr als fragwürdige und vor allem journalistisch unsaubere, boulevardistische Arbeit abgeliefert hat und der Weltsicht Kachelmanns so viel Raum gibt.
http://www.e-politik.de/lesen/artikel/2 ... achelmann/



