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Das Männer- und Frauenbild des Korans ist nur zu verstehen, wenn man sich klar macht, in welchem Kontext der Text entstand. Das heilige Buch des Islam wurde im siebten Jahrhundert auf der arabischen Halbinsel in einer stark patriarchalischen Gesellschaft verfasst, in der Frauen rechtlich und sozial weitgehend von den Männern abhängig waren. Diese Tatsache spiegelt sich im Koran wieder. Die dominierenden Figuren sind dort mit wenigen Ausnahmen Männer. Der Koran beschreibt zudem eine gewisse Hierarchie in der Beziehung zwischen Mann und Frau, die den Männern einen höheren Rang verleiht: "Die Männer stehen den Frauen in Verantwortung vor, weil Gott die einen vor den anderen ausgezeichnet hat und wegen der Ausgaben, die sie von ihrem Vermögen gemacht haben." (Koran 4:34)
Ja, es ist den Männern sogar gestattet, wenn notwendig, Gewalt gegen ihre Ehefrauen anzuwenden: "Und wenn ihr fürchtet, dass eure Frauen sich auflehnen, dann ermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie. Wenn Sie euch (daraufhin wieder) gehorchen, dann unternehmt nichts gegen sie! Gott ist erhaben und groß." (Koran 4:34) Auch soll die Tochter nur die Hälfte des Erbteils erhalten, den ihr Bruder bekommt (Koran 4:11). Prophetenfiguren im Koran sind ausschließlich Männer, auch wenn über den Status von Maria, der Mutter Jesu, diskutiert wird, so gilt sie eher nicht als Prophetin.
An anderen Stellen im Koran begegnet uns hingegen ein positiveres Bild, so wird die Beziehung zwischen Mann und Frau als partnerschaftlich beschrieben (9:71), sie ist von gegenseitiger Liebe und Barmherzigkeit bestimmt (30:21). Sowohl von den Männern als auch von den Frauen wird verlangt, sich gegenseitig mit Respekt zu begegnen und aufdringliche Blicke oder Handlungen zu unterlassen (Koran 24:30-31). Vor Gott allerdings sind Männer und Frauen im Koran gleichgestellt: "Gott hat den gläubigen Männern und den gläubigen Frauen das Paradies versprochen …"(Koran 9:72, auch 33:35). Ein einheitliches Männer- oder Frauenbild gibt es im Koran also nicht. Dass liegt auch daran, dass seine Entstehung sich über 23 Jahre hinzog. Dabei wurde auf unterschiedliche gesellschaftliche Entwicklungen reagiert. Die Auseinandersetzung floss in den Text ein und wird dort zum Teil beschrieben.
Nun stellt sich die Frage, ob der Koran ein patriarchalisches Männerbild unterstützt oder eher die Gleichstellung beider Geschlechter. Diese Frage kann weder pauschal in die eine noch in die andere Richtung beantwortet werden, denn es hängt immer davon ab, wie Muslime mit dem Koran umgehen. Sowohl für den Koran als auch für die Bibel gilt: Es kommt weniger auf das an, was drinnen steht, sondern auf die Frage, wie die jeweiligen Gläubigen damit umgehen und es in ihr Leben einbeziehen.
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Quelle:
ZEIT ONLINE - "Islam: Die Männerbilder des Korans"http://www.msn.com/de-de/nachrichten/pa ... li=AAaxdRIKommentar
Trotz sachlicher Darstellung und einiger sinnvoller Ansätze des Autors (Mouhanad Khorchide ist ein österreichischer Soziologe, Islamwissenschaftler und Religionspädagoge) den Koran in seiner "ursprünglichen" Form heute noch Anwendung finden zu lassen, übersieht er anscheinend etwas Entscheidendes. Der Koran ist inhaltlich nicht wirklich schlüssig, was durchaus u. A. am zeitlichen Kontext dessen Entstehens liegen kann. Wie sollen aus heutiger Sicht Menschen mit sich inhaltlich teilweise sogar widersprechenden Regeln umgehen können, ohne dabei in Auslegungs- und Bewertungsprobleme, und damit letztlich in eine Verhaltensproblematik zu geraten. Diese Problemstrukturen werden auch durch Islamunterricht oder Koranschulen kaum oder gar nicht tatsächlich beseitigt, da dort auch nur eine durch politische oder religiöse "Vordenker" geschaffene Form der Auslegung als neue Bewertungsgrundlage Verwendung findet. Das kann nur zu Problemem führen, noch dazu, wo nur die Wenigsten über ausreichende eigene Informationen verfügen, dies überhaupt bewerten zu können. Das Hauptproblem dürfte jedoch darin bestehen, dass man das Ganze nicht einfach alles auf eine heute andere Auslegung reduzieren kann, was an eindeutigen Formulierungen enthalten ist. Wenn etwas aus einem bestimmten zeitlichen Kontext heraus zu verstehen sein soll, dann bedeutet das konsequenter Weise, dass es unverändert auch nur in diesem Anwendung finden kann. Der zwanghafte Versuch das auf eine völlig andere Zeit und völlig andere Lebensumstände umzudeuten, muss scheitern. Nach der eigenen Darstellung des Autors müsste er eigentlich selbst so konsequent sein und einräumen, dass die Regeln des Koran, wenn überhaupt, nur im Zeitraum seines Entstehens und eine gewisse Zeit danach tatsächlich Gültigkeit besitzen konnten und diese heute, den allgemeinen, veränderten Lebensumständen unangepasst, eigentlich keine, oder kaum Relevanz besitzen können. Denn der Inhalt hat den Wandel der Zeiten und deren Entwicklungen eben nicht mitgemacht und ist nach hier vertretener Ansicht eben wegen des Eingangs der zu seiner Entstehungszeit konkret vorhandenen Lebensumstände in seine Inhalte definitiv nicht so allgemeingültig, dass man ihm zeitlose Relevanz bescheinigen könnte.
Ob es sich nun um religiöse oder lebensphilosophische literarische Werke handelt, diese können grds. nur dann sozusagen zeitlich unbeschränkte Gültigkeit besitzen, wenn sie von Anbeginn ihres Entstehens an aus dem zeitlichen, kulturelllen, gesellschaftlich politschen Kontext selbstständig herauslösbar waren und so in ihrer Allgemeingültigkeit einer zeitlosen Anwendung zugänglich wurden. Das dürfte nur auf die wenigsten dieser heute noch vorhandenen Werke zutreffen...