Tsipras-Regierung bröckelt
Parteifreund fordert neues Referendum - Minister verweigert Gefolgschaft
Der Rückhalt für Alexis Tsipras in seiner eigenen Partei schwindet. Ein Abgeordneter der Syriza-Partei fordert bereits ein neues Referendum über die Sparpläne. Der linksradikale Flügel der Regierung will die Gefolgschaft bei einer Abstimmung verweigern.
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maxikatze hat geschrieben:Nein - siehe DDR. Es hat zwar 4 Jahrzehnte gedauert, bis die SED ihren Machtanspruch aufgegeben hat, aber dadurch hat sich das System fast von einem Tag auf den anderen erledigt. Es hat alles seine Zeit - alles. Auch das jetzige System wird irgendwann weggefegt. Nichts ist von Dauer.
icke hat geschrieben:maxikatze hat geschrieben:Nein - siehe DDR. Es hat zwar 4 Jahrzehnte gedauert, bis die SED ihren Machtanspruch aufgegeben hat, aber dadurch hat sich das System fast von einem Tag auf den anderen erledigt. Es hat alles seine Zeit - alles. Auch das jetzige System wird irgendwann weggefegt. Nichts ist von Dauer.
Das jetzige Wirtschaftssystem ist kaputt und geriet 2007/08 in seine existenziellen Krise. In den USA beträgt die durchschnittliche Haltedauer einer Aktie für die 500 größten US-Unternehmen gerade mal 22 Sekunden. 2012/13 überstieg die Summe der weltweiten Finanztransaktionen die des Welthandels um das Hundertfache. Nur ein kleiner Teil davon dient dazu, realwirtschaftliche Geschäfte wie Dienstleistungen und Handelsgüter zu finanzieren. Der überwiegende Teil der Transaktionen entfällt auf reine Handelsgeschäfte. Mehrere Banken mussten vor der Pleite gerettet werden und entgegen dem Credo von staatlicher Zurückhaltung verstaatlicht werden. Momentan muss die EZB 60 Milliarden Euros pro Monat in den Finanzmarkt pumpen um die "Finanzmärkte zu stabilisieren". Ohne diese Eingriffe wären mehrere Großbanken und Versicherungen pleite gegangen und damit die Ersparnisse ihrer Kunden. Über den Umweg Griechenland geschah 2010 dasselbe.
Uel hat geschrieben: Ich möchte mich in die Ferien verabschieden und wünsche Euch allen schönste Sommerwochen. Um bei Muße über das Spekulative über Griechenland hinaus zu kommen, leite ich mal einige geschichtliche Grundlagen weiter, die mir teilweise nur in Namen alter griechischer Politiker oberflächlich in Erinnerung waren, aber nie in diesem systematisch aufgebautenm Hintergrundwissen, was Ursachen und Wirkung von Fehlstrukturen beleuchtet. Der Verfasser Heinz. A. Richter lehrte Geschichte an der Universität Mannheim.
Griechische Schuldenkrise: Gut genährt dank Rousfetia
In nahezu allen Ländern hat der EU-Beitritt dazu beigetragen, Staat und Wirtschaft zu
modernisieren. In Griechenland dagegen hat er einem tief in der Geschichte wurzelnden
System des Klientelismus neue Kraft gegeben.
Eine Chronik des Desasters. 06.07.2015, von Heinz A. Richter
Alle Staaten Südosteuropas mit Ausnahme Zyperns leiden mehr oder weniger stark unter
dem osmanischen Erbe des Klientelismus. Als im Europa der Renaissance die allgemeine
Modernisierung begann, verschwand der Südosten des Kontinents gewissermaßen hinter
einem eisernen Vorhang.
Die osmanische Herrschaft, die in großen Teilen Griechenlands und des Balkans von der
Mitte des 15. bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts dauerte, veränderte diese Länder
stark: Eine der ersten Maßnahmen der neuen Herrscher war die Vernichtung der alten
Aristokratie, da diese die Führung in Aufständen hätte übernehmen können. Als lokale
Führungskräfte blieben nur die ursprünglich gewählten Dorfbürgermeister übrig, die
sogenannten Muchtare, die die osmanische Regierung vor Ort vertraten. Dadurch
erhielten die Muchtare eine doppelte Funktion: Sie wurden zu Führern und Beschützern
der örtlichen Bevölkerung, zugleich aber zu Objekten osmanischer Repression, sollte in
ihrem Verantwortungsbereich etwas schiefgehen.
Der Staat als Ausbeuter
Aus ihrer Funktion als Beschützer gewannen die Muchtare in den Augen der Beschützten
Prestige und Macht. Als Gegenleistung erwarteten sie von ihren Hintersassen Loyalität.
Die Osmanen belohnten treue Dienste, und so wurden die lokalen Notabeln im Lauf der
Zeit wohlhabend. Das Abhängigkeitsverhältnis zwischen den örtlichen Bauern und ihrem
Patron existierte im ganzen Osmanischen Reich und wird als Muchtar-System bezeichnet.
Es ist der historische Ursprung des heutigen Klientelsystems.
Die osmanische Herrschaft führte dazu, dass die Griechen den Staat nur als Ausbeuter
erlebten. Während in Westeuropa ein selbstbewusstes Bürgertum entstand, das sich mit
dem eigenen Staatswesen identifizierte, war der Staat für die Griechen gleichbedeutend
mit Fremdherrschaft, gegen die es sich zu wehren galt und die man hasste.
Steuervermeidung und Diebstahl staatlichen Eigentums waren typische
Abwehrreaktionen. Diese Einstellung gegenüber dem Staat wirkt bis heute fort.
Klientelismus zu einem Zwangsmittel
Als 1821 der griechische Unabhängigkeitskrieg begann, waren die klientelistischen
Strukturen des Muchtar-Systems die einzigen Kristallisationskerne für die politische
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Organisation des Kampfes. Während der Auseinandersetzung vernetzten sich die
Muchtare horizontal und bildeten zugleich vertikale Strukturen, so dass
pyramidenförmige Netzwerke entstanden. Da die Dorfbürgermeister in der Regel keine
militärische Erfahrung hatten, griff man im Kampf auf die Anführer der Klephten zurück
- Räuberbanden, die sich der Kontrolle durch den osmanischen Staat durch Rückzug in
die Berge entzogen hatten.
Als Griechenland unabhängig wurde, gab es also eine klientelistisch organisierte Elite.
Auf deren Netzwerke musste König Otto von Wittelsbach zurückgreifen, als er 1832 nach
Griechenland kam - mit der Handvoll bayerischer Beamter, die er mitgebracht hatte,
konnte er das Land nicht regieren. Die Patrone kontrollierten die untere Verwaltung und
gewannen so Zugang zu staatlichen Geldern. Damit änderte sich der Charakter des
Klientelismus: Bis dahin war die Beziehung zwischen Patron und Klient meist von einer
gewissen Freiwilligkeit der Unterordnung geprägt gewesen. Beide hatten davon profitiert.
Nun wurde der Klientelismus zu einem Zwangsmittel, um dem Einzelnen seinen Platz in
der Gesellschaft zuzuweisen. Die Patrone stellten rasch fest, wie der Klientelismus zu
politischen Zwecken eingesetzt werden konnte. Sie nutzten ihre Machtposition, um ihrer
Klientel Gefälligkeiten zu erweisen; der griechische Begriff dafür lautet Rousfetia. Dazu
verwendeten sie oft gestohlene staatliche Gelder oder vermittelten Posten in der
Verwaltung. Als Gegenleistung erwarteten sie treue Gefolgschaft.
Der erste griechische König war ein Monarch von Gnaden der Großmächte. Diese übten
ihren Einfluss auf das Land aus, indem sie ihre Anhänger kontrollierten, die in
sogenannten „Parteien“ organisiert waren. In Wirklichkeit handelte es sich dabei um
klientelistische Netzwerke, und das zunächst in dreifacher Ausfertigung: es gab eine
russische, eine englische und eine französische Partei. 1862 setzte Großbritannien eine
neue Dynastie ein. Von nun an folgten die griechischen Könige und Politiker der
Maxime: „Was will der ausländische Faktor?“
Klientelistische Pyramiden
Als Großbritannien die alleinige Schutzmacht wurde, entstanden „politische“ Parteien,
nämlich eine liberale und eine konservative. An deren Charakter änderte sich aber nichts:
Es waren klientelistische Pyramiden, die durch ein raffiniertes System von Rousfetia
zusammengehalten wurden. Der Staat blieb Ausbeutungsobjekt der jeweiligen Anführer
der klientelistischen Pyramide. Stimmenkauf bei Parlamentswahlen und Wahlfälschungen
waren normale politische Erscheinungen. Ende des 19. Jahrhunderts charakterisierte ein
griechischer Abgeordneter dieses System als politische Zuhälterei.
Auch im 20. Jahrhundert hatten die griechischen Parteien mit ihren europäischen
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Entsprechungen nichts gemein. Parteiprogramme oder Parteitage waren ebenso
unbekannt wie eine innerparteiliche Willensbildung von unten nach oben. Die Partei war
die Klientel des Parteiführers und seiner Granden. Bis in die neunziger Jahre des vorigen
Jahrhunderts entschieden die Parteiführer souverän über den einzuschlagenden Kurs.
Faktische Steuerfreiheit der Reichen
Danach verschob sich das Hauptgewicht zu den Parteigranden. Konflikte innerhalb einer
Partei wurden nicht durch Diskussion und Kompromiss gelöst, sondern dadurch, dass die
Dissidenten mit ihrem klientelistischen Subnetz die Partei verließen und sich einer
anderen klientelistischen Pyramide anschlossen. Parteiloyalität hing davon ab, welche
Rousfetia der Parteiführer seiner Klientel zukommen lassen konnte. Machtwechsel
kamen oft dadurch zustande, dass sich Teilnetze anderen Parteiführern anschlossen. So
hat etwa die jetzige Regierungspartei HYPERLINK "http://www.faz.net/aktuell/politik/
thema/syriza"Syriza Subnetze der langjährigen sozialistischen Regierungspartei Pasok
absorbiert.
Der Klientelismus ist so stark in der politischen Kultur der Region verankert, dass er
sogar in der Lage war, die großen Ideologien des 20. Jahrhunderts zur Anpassung zu
zwingen. Auf dem Balkan wurde der Faschismus zu einem Klientelfaschismus. Der
griechische faschistische Diktator Ioannis Metaxas (1871-1941) verkündete stolz, dass er
keine Massenpartei brauchte, weil das ganze Volk Partei gewesen sei. Tatsächlich
zerschlug Metaxas die alten Klientelnetze und richtete die Überreste auf sich aus: Es gab
nur noch eine Klientel mit ihm als Führer. Der Aufbau einer faschistischen Massenpartei
wie in Deutschland oder Italien wäre systemfremd gewesen.
Ein wichtiger Aspekt des Klientelismus ist die faktische Steuerfreiheit der Reichen. Die
politischen und wirtschaftlichen Oligarchien waren und sind aufs engste miteinander
verfilzt und sorgen dafür, dass die gesamte Oberschicht steuerfrei bleibt. Bis heute
kontrollieren etwa 800 Familien mehr als 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die
staatlichen Einnahmen stammten zum größten Teil aus indirekten Steuern und der
Lohnsteuer, die die kleinen Leute bezahlen.
Jeder vierte Beschäftigte im öffentlichen Dienst
Zu einer Industrialisierung wie in Westeuropa kam es in Griechenland nie. Die
wirtschaftlichen Schwerpunkte lagen in der Landwirtschaft, dem Tourismus und dem
Handel sowie der Schifffahrt. Ein chronischer Mangel an Arbeitsplätzen war die Folge
und führte in der Vergangenheit zu Auswanderung. Um ihre Klientel an sich zu binden,
sorgte die jeweils regierende Partei dafür, dass ihre Anhänger Arbeit im öffentlichen
Dienst fanden, der dadurch immer größer wurde. Heute arbeitet jeder vierte Beschäftigte
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im öffentlichen Dienst. In Deutschland ist es jeder zwölfte.
Mehrmals war der griechische Staat in seiner Geschichte bankrott. Erstmals wurde
Griechenland im Jahr 1895 unter europäische Finanzaufsicht gestellt. Aber die
griechische Oligarchie wusste, dass Großbritannien sie immer wieder vor dem Untergang
retten würde. Die Schutzmacht brauchte Griechenland als Glied in der Absicherung der
„Life Line“ des Empires durch das Mittelmeer. Als 1948/49 die zweite große Pleite
folgte, sprangen die Vereinigten Staaten in die Bresche und retteten das Land. In diesem
Fall diente die angebliche kommunistische Gefahr als Vorwand. Als sich die Amerikaner
Mitte der fünfziger Jahren weigerten, Griechenland weiterhin finanziell zu unterstützen,
suchte Athen sich einen neuen Geldgeber: Deutschland. Aus Bonn erhielt das Land
Reparationszahlungen in Höhe von 315 Millionen Mark. Griechenland und Jugoslawien
waren die einzigen Staaten, die nach dem Londoner Schuldenabkommen von 1953
Reparationen erhielten.
Es gab im 20. Jahrhundert eine einzige Chance, den Klientelismus zu überwinden,
nämlich am Ende des Zweiten Weltkriegs. Da während der deutschen Okkupation der
Zugang zu staatlichen Geldern versperrt war, wurden die alten Parteistrukturen
allmählich bedeutungslos. Die Bevölkerung wandte sich daraufhin den aus der linken
Résistance hervorgehenden Kräften zu, die in den von den Partisanen kontrollierten
Regionen den griechischen Staat von den Wurzeln her neu aufbauten. Diese Kräfte
umfassten alle progressiven Elemente der Gesellschaft von den Liberalen bis zu den
Kommunisten. Der neue Staat mit seinem aus freien Wahlen hervorgegangenen
„Parlament in den Bergen“ kannte keinen Klientelismus und keine Rousfetia. Am
Horizont zeichnete sich eine Nachkriegsrepublik mit politischen Strukturen ab, die denen
der westeuropäischen Staaten ähnelten.
Doch dieser neue Staat hätte auch sein Abhängigkeitsverhältnis gegenüber
Großbritannien beendet. Churchill aber wollte die Wiederherstellung der Monarchie. Da
die überwältigende Mehrheit der Griechen dies ablehnte und die Résistance strikt
dagegen war, beschloss Churchill, den König unter Gewaltanwendung zurückzubringen.
Um eine militärische Intervention moralisch zu rechtfertigen, beschwor er die
kommunistische Gefahr herauf. Im Oktober 1944 sicherte er sie durch das
„Prozentabkommen“ mit Stalin ab, im Dezember erfolgte die bewaffnete Intervention.
Der nach vierwöchigen Kämpfen abgeschlossene Vertrag von Varkiza war ein fairer
Kompromiss. Doch seine Bedingungen wurden von der griechischen Rechten mit
stillschweigender Billigung der Briten in jeder Hinsicht verletzt. Das Resultat waren eine
Wiederbelebung des klientelistischen Systems und ein Bürgerkrieg, der bis 1949 dauerte.
Als Großbritannien die Last der Schutzmacht finanziell nicht länger schultern konnte,
kam es 1947 zu einer Art Translatio Imperii hin zu den Amerikanern. In den gut zwei
Jahren des noch andauernden Bürgerkrieges pumpten die Vereinigten Staaten mehr als
1,5 Milliarden Dollar nach Griechenland, die das Land aber nicht im Geringsten
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voranbrachten. Erst 1949 begannen in Griechenland die Nachkriegszeit und der
Wiederaufbau des von zwei Kriegen zerstörten Landes.
Bei den ersten Wahlen 1950 wählten die Griechen die liberalen Kräfte unter Nikolaos
Plastiras. Als der Korea-Krieg ausbrach, sorgten die Amerikaner durch eine Änderung des
Wahlrechtes dafür, dass die Konservativen an der Macht blieben. Unter den
Ministerpräsidenten Alexandros Papagos, der während des Bürgerkriegs
Oberbefehlshaber der antikommunistischen Kräfte war, und Konstantinos Karamanlis
war Griechenland von 1952 bis 1963 ein Polizeistaat. Die Radikalnationale Union (ERE)
von Karamanlis war die konservative klientelistische Pyramide.
Giorgios Papandreous
Zentrumsunion (Enosis Kentrou), in der sich liberale Kräfte zusammenfanden, war bis
1963 eine Klientelpartei im Wartezustand. Als er in jenem Jahr die Wahlen gewann,
gelang es dem alternden Papandreou nicht, die Granden seiner Partei unter Kontrolle zu
halten. Der König konnte Papandreou stürzen. In den folgenden Jahren bis 1967 war
Griechenland in einer Dauerkrise.
Im Militär gärte es. Es gab zwei Gruppierungen, die putschen wollten, Generäle und
Obristen. Während die erste vom König und von den Amerikanern kontrolliert wurde,
schlugen die Obristen am 21. April 1967 zu. Die Offiziere, die zumeist aus der
bäuerlichen Unterschicht stammten, lehnten zwar den Parteiklientelismus der Oligarchie
ab, was sie aber nicht hinderte, sich und ihre Klientel zu bereichern. Ohne einen Offizier,
der half, konnte während der Militärdiktatur kaum ein Geschäft abgeschlossen werden.
Dass der Offizier beteiligt war, verstand sich von selbst.
Während der Diktatur begann unter den in Europa lebenden Exilgriechen eine intensive
Diskussion darüber, wie man dieses System überwinden könnte. Bald bestand Konsens,
dass man den Charakter der Parteien verändern musste, indem man Parteien europäischen
Typs ins Leben rief, also Parteien mit Programmen, Kongressen, internem
demokratischen Willensbildungsprozess und Wahl der Führung. Dazu sollte nach dem
Verschwinden der Militärjunta eine neue sozialdemokratisch ausgerichtete Partei
gegründet werden.
Auch Giorgios Papandreous Sohn Andreas, der spätere Ministerpräsident, hatte an diesen
Diskussionen teilgenommen und diesen Ideen zugestimmt. Aber bevor Beschlüsse gefasst
wurden, putschte im Sommer 1974 die Junta. Diktator Dimitrios Ioannidis hatte in
Zypern einen Putsch gegen Staatspräsident Makarios inszeniert, der zwar scheiterte, aber
der Türkei den Vorwand für eine militärische Intervention lieferte. Als diese stattfand,
stellte man in Athen fest, dass die Junta das Militär so heruntergewirtschaftet hatte, dass
es nicht einsatzfähig war. Moderate Kommandeure entmachteten Ioannidis und riefen
Konstantinos Karamanlis aus dem Exil zurück, damit er eine neue Regierung bilde.
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Karamanlis hatte im französischen Exil erkannt, dass der Klientelismus das Krebsübel
Griechenlands war. Daher verkündete er, dass er in seine neue Partei Nea Dimokratia nur
Individuen, aber keine Subnetzwerke seiner alten ERE aufnehmen werde. Nach nur zwei
Monaten gab er dieses Vorhaben auf. Die Nea Dimokratia wurde wieder zur
Klientelpartei der Konservativen. Auf der Linken waren die guten Vorsätze ebenfalls
schnell vergessen, nachdem Andreas Papandreou aus dem Exil zurückgekehrt war. Er
gründete die Pasok (Panhellenische Sozialistische Bewegung).
Nach außen hin gab sich die neue Partei als sozialistisch, tatsächlich aber war sie vom
ersten Moment an eine von Papandreou straff geführte Klientelpartei. Als oppositionelle
Gruppen wie die ehemalige Widerstandsgruppe Dimokratiki Amyna (Demokratische
Verteidigung), die gegen die Junta gekämpft hatte, dagegen protestierten, ließ Papandreou
sie aus der Partei werfen. In der Führung der Pasok waren viele, die aus weniger
wohlhabenden Schichten stammten, noch nie Zugriff auf die staatlichen Kassen gehabt
hatten und nun Nachholbedarf verspürten.
Damit war das alte klientelistische Zweiparteiensystem rehabilitiert. Karamanlis regierte
das Land bis 1981. Dabei übertrieben es die Konservativen bei der Verteilung von
Rousfetia an ihre Klientel nicht. Der größte Teil der Führungselite der Nea Dimokratia
stammte aus dem wohlhabenden Bürgertum, so dass viele es nicht nötig hatten, sich
selbst zu bereichern. Außerdem waren die Mittel begrenzt, die zweckentfremdet werden
konnten: In der Hauptsache waren es Steuereinnahmen.
Dies änderte sich, als Griechenland in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)
aufgenommen wurde. Als Ministerpräsident Karamanlis im Juli 1975 den
Aufnahmeantrag stellte, wollte er den griechischen Demokratisierungsprozess absichern,
die Wirtschaft voranbringen und sein Land europäisieren. Die Europäer, allen voran
Frankreichs Präsident Giscard d’Estaing und Bundeskanzler HYPERLINK "http://
http://www.faz.net/aktuell/politik/thema/helmut-schmidt"Helmut Schmidt, wollten die
Demokratisierung unterstützen und stimmten daher der Aufnahme zu, obwohl sie
wussten, dass Griechenlands Wirtschaft nicht wettbewerbsfähig war.
Diese Haltung ging auf die idealistische Einstellung zurück, wonach das Land, in dem die
Wiege der europäischen Kultur gestanden hatte, ein Recht auf Mitgliedschaft hatte - ein
Argument, das in ähnlicher Form bis heute immer wieder vorgebracht wird, wenn
Griechenland etwas durchsetzen will. Doch weder Giscard noch Schmidt erkannten, dass
es mit einer formalen Demokratisierung nicht getan war. Um ein echtes Mitglied der
Europäischen Gemeinschaft zu werden, hätte Griechenland den Klientelismus
überwinden müssen. Stattdessen führte der Beitritt zur HYPERLINK "http://
http://www.faz.net/aktuell/politik/thema/ewg"EWG nur zur Stärkung des Klientelismus.
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Vor der Parlamentswahl im Oktober 1981 warb Andreas Papandreou damit, dass
Griechenland im Falle seines Sieges aus der Nato austreten und der unmittelbar
bevorstehende EWG-Beitritt rückgängig gemacht werde. Wahr machte er diese
Versprechen nicht. Denn mit dem Beitritt zur EWG begannen Hilfsgelder für die
Entwicklung des Landes nach Griechenland zu fließen. Die Mittel, die leicht für
klientelistische Zwecke umgewidmet werden konnten, machten bis 1988 immerhin drei
Prozent des griechischen Bruttoinlandsprodukts aus.
Kaum an der Macht, begann Papandreou den Klientelismus auszubauen. Bis dahin war
der Klientelismus auf die griechischen Parteien beschränkt gewesen. Sie hatten den Staat
zwar als Geldquelle genutzt, sich aber nicht in die eigentliche Arbeit der Verwaltung
eingemischt, die deshalb trotz des Nepotismus stets einigermaßen funktionierte. Nun
durchdrang die Pasok den Staat. Es wurden informelle Gremien geschaffen, die von der
Partei beherrscht wurden und die Unabhängigkeit der Verwaltung unterminierten. Von
nun an gab es keine technokratischen Entscheidungen mehr, sondern nur noch
parteipolitische. Binnen weniger Jahre wurde der öffentliche Dienst um 82 000 Personen
vergrößert, was eine Zunahme um 60 Prozent bedeutete. Außerdem wurden die Gehälter
und Löhne erhöht. Das bedeutete natürlich, dass die staatlichen Ausgaben enorm
wuchsen - und damit auch die Verschuldung.
Bei Papandreous Amtsantritt hatte die griechische Staatsverschuldung 30 Prozent des
Bruttoinlandsproduktes betragen, 1990 war sie auf 80 Prozent des BIP gestiegen.
Papandreou finanzierte seine sozialen Wohltaten vor allem mit Geld aus Brüssel und
immer neuen Krediten. Zwischen 1981 und 2006 erhielt Griechenland aus dem
Strukturfonds der EG beziehungsweise der EU 52 Milliarden Euro. Mit Papandreous
Wirtschaftspolitik begann eine Staatsverschuldung, die über alles hinausging, was seit der
Gründung des neugriechischen Staates üblich gewesen war.
Die Neigung, höhere Löhne durchzusetzen, verbreitete sich auf Papandreous Wunsch hin
auch in der Wirtschaft. In den achtziger Jahren nahm das Einkommen der normalen
Griechen um 26 Prozent zu. Noch Mitte der siebziger Jahre hatte es in Griechenland gut
funktionierende Textilbetriebe gegeben, darunter Filialen deutscher Firmen. Diese
produzierten in Griechenland billiger als in Deutschland, aber sie zahlten ihren
Arbeiterinnen anständige Löhne. Als Papandreou die Gewerkschaften animierte, höhere
Löhne zu fordern, führte das zur Schließung dieser Firmen. Griechische Firmen, die
aufgrund der Lohnerhöhungen pleitegingen, wurden in Staatsbesitz überführt. Sie
arbeiteten danach keinesfalls wirtschaftlicher, doch in ihnen konnte weiteres Personal
untergebracht werden, was ihre Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit noch weiter
reduzierte. All das trug zur enorm wachsenden Staatsverschuldung bei. Für die
Nutznießer dieses Systems hatte es positive soziale Folgen, aber mit Sozialismus hatte
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Papandreous Klientelismus nichts zu tun. Er diente nur dem Machterhalt.
Der Euroraum als Fluch
Nach einem kurzen Zwischenspiel der Nea Dimokratia, das von 1989 bis 1993 dauerte,
kehrte die Pasok an die Macht zurück. Kurz vor Papandreous Tod 1996 übernahm
Konstantinos Simitis, ein Jurist und Wirtschaftswissenschaftler, das Amt des
Ministerpräsidenten. Simitis versuchte, wirtschaftspolitisch das Steuer herumzureißen. Er
reduzierte die Neuverschuldung und verringerte die Staatsausgaben. Um zu Einnahmen
zu kommen, privatisierte er sogar Staatsbetriebe, was unter Papandreou ein Tabu war.
Simitis’ Maßnahmen waren erfolgreich: In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre wuchs
die griechische Wirtschaft.
Unter Simitis schaffte es Griechenland, mit frisierten Zahlen in den Euroraum
aufgenommen zu werden. Was für die westeuropäischen Staaten ein wirtschaftlicher
Gewinn war, entpuppte sich für Griechenland letztlich als ein Fluch. Nun kam das Land
noch einfacher an zinsgünstige Anleihen. Simitis erkannte die Gefahr und versuchte
gegenzusteuern. Bis 2004 bemühte er sich, den Klientelismus einzudämmen, doch das
System erwies sich als stärker als er. Obwohl er Ministerpräsident und Vorsitzender der
Pasok war, konnte er sich nicht durchsetzen.
Die Partei hatte eine Metamorphose durchgemacht: Sie war keine monolithische
klientelistische Pyramide mit dem Patron an der Spitze mehr, sondern bestand nun aus
relativ unabhängigen Teilnetzwerken. Deren Patrone verteilten selbständig die Rousfetia
nach Gutdünken, denn sie hatten selbst Zugriff auf staatliche Mittel oder EU-Hilfsgelder.
Als Simitis weiter zu bremsen versuchte, verdrängten ihn die Parteigranden von der
Macht.
Nach dem neuerlichen Wahlsieg der Nea Dimokratia im Jahr 2004 ging es weiter wie
zuvor: Die führenden Persönlichkeiten der ND waren nicht länger wohlhabende
Konservative, sondern eine jüngere Generation, die von der Gier nach schnellem Geld
getrieben wurde. Während ihrer Herrschaft nahm die Verschuldung unvorstellbare
Ausmaße an. Anders als bei der Pasok sickerte aber kaum Geld nach unten durch. Die
staatliche Schuldenpolitik verleitete die griechischen Banken nun dazu, ebenfalls
Schulden zu machen. Die Banken wiederum animierten die Bürger, auf Kredit zu
konsumieren.
Etwa zwei Jahrzehnte lang gab es so in Griechenland einen noch nie dagewesenen
Wohlstand der breiten Bevölkerung. Aber es wurde nicht investiert. Die geliehenen
Gelder flossen in den Konsum oder verschwanden auf der politischen Ebene auf Konten
im Ausland. Das Ende dieser Entwicklung ist bekannt.
Der Verfasser Heinz. A. Richter lehrte Geschichte an der Universität Mannheim.
AlexRE hat geschrieben:Wenn Tsirpas zu Hause für nichts eine echte Mehrheit hat, ist es kein Wunder, dass er gegenüber den anderen europäischen Regierungen nur herumeiern kann, so dass die das als reine Hinhaltetaktik empfinden.Tsipras-Regierung bröckelt
Parteifreund fordert neues Referendum - Minister verweigert Gefolgschaft
Der Rückhalt für Alexis Tsipras in seiner eigenen Partei schwindet. Ein Abgeordneter der Syriza-Partei fordert bereits ein neues Referendum über die Sparpläne. Der linksradikale Flügel der Regierung will die Gefolgschaft bei einer Abstimmung verweigern.
(...)
http://www.focus.de/finanzen/news/staat ... 05653.html
"Griechen haben vom Geld so viel gesehen wie die Gastarbeiter in Sotschi von den Olympischen Spielen"
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