T. Fischer ätzt gegen den deutschen Gerichtsjournalismus:
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Wer im Deutschen Fernsehen "Schalke Nullfünf" sagt, ist raus aus dem Rennen. Wer ein Hoch mit einem Tief verwechselt in der lustigen Wettershow, oder Frauke mit Wolfgang Petry beim Musikantenstadl, oder Aserbaidschan mit Usbekistan bei der Euro-Hitparade, darf ab morgen früh, wenn der Intendant ausgeschlafen hat, wieder Recherche machen für die Kollegen an der Kamerafront.
Nachrichten an sich sind wie Keime in der Luft
Wer aber berichtet, der in Hannover verurteilte Mörder habe in Hamburg "Einspruch" gegen das Urteil eingelegt, diese "Berufung" aber sei – nach Ansicht des einzigen in Deutschland lebenden Kriminologen aus Niedersachsen, der wie immer zufällig gerade hierzu "eine Studie gemacht" hat – ohne Aussicht auf Erfolg …, wird zur Strafrechtsversteherin des Jahres gewählt.
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http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitges ... ettansichtSo weit, so gut und so berechtigt diese Kritik ist, so problematisch und gefährlich ist das Nachfolgende:
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Anders gesagt: Für die Zwecke der Kriminalstatistik, des Ausländerrechts, des Städtebaus, der Sozialhilfe, der Pädagogik und der Kriminologie ist es außerordentlich wichtig zu erfahren, wie hoch der Anteil junger ausländischer Männer an der Gesamtheit der Straftaten junger Männer in Deutschland ist. Für die Zwecke der Information der Bevölkerung darüber, dass Raub, Diebstahl oder Vergewaltigung strafbar sind, ist es aber vollständig gleichgültig. Wer das Gegenteil behauptet, projiziert "sein" erwünschtes Ergebnis auf eine scheinbar objektive Ebene. Er möchte gern lügen, und beschwert sich, dass man ihm das Material dazu nicht liefert.
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http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitges ... ettansichtWer als maßgeblicher Sachwalter einer der drei Staatsgewalten bestimmen will, was die freie Presse dem Publikum mitteilen muss oder gar darf, hat entweder nicht verstanden, dass in einer Republik nur diesem Publikum innenpolitische Souveränitätsrechte zustehen und Richter wie Politiker dem Souverän zu dienen haben, oder er blendet für sich die eigentliche Bedeutung des Begriffes "Souveränität" aus, weil er das Volk für blöde hält.
Unverständige Bundesrichter sind aber viel gefährlicher als unverständige Journalisten, weil sie mit ihren Entscheidungen das letzte Wort haben und durch Fehler einzelnen Menschen irreparablen Schaden zufügen können, während die Presse- und Meinungsfreiheit garantiert, dass man (in Zeiten des Internets jedermann) schwachköpfigen Journalisten so oft und so laut widersprechen kann wie die Abwehr der drohenden Desinformation es erfordert.