Auf dem
Facebook - Profil von RA Heinrich Schmitz gesehen und kommentiert:
Todesstrafenfans - vergesst es !
Vor ein paar Tagen erhielt ich über facebook eine Umfrage zum strafrechtlichen Umgang mit sogenannten Kinderschändern, also Straftätern die sich des sexuellen Missbrauchs von Kindern schuldig gemacht haben - nicht etwa Kindermördern. Als Antwortmöglichkeiten gab es: Todesstrafe, Arbeitslager mit Schwerstarbeit und Freiheitsstrafe. Wenig erstaunt konnte ich sehen, dass über 380000 die Todesstrafe, rund 30000 die Arbeitslager und nur etwas mehr als 3000 die zur Zeit geltende Freiheitsstrafe gewählt hatten.
Unter den Abstimmenden waren auch einige meiner FB-Freunde. Wer im einzelnen für welche Strafe abgestimmt hatte, wollte ich lieber gar nicht wissen. Eine überwältigende Mehrheit für die Todesstrafe, sieh mal einer an. Gut, natürlich war das keine repräsentative Umfrage, aber es war auch keine Umfrage unter Leuten, die ihren Kopf nur dazu haben sich eine Glatze zu rasieren oder einen lustigen Hut darauf zu setzen.
Deutschland, ein Land von Demokraten, eine Oase der Rechtsstaatlichkeit,ein Hort der Freiheit - und dann so eine unverhohlene Begeisterung für die Todesstrafe ? Und diese Erkenntnis traf zusammen mit dem laut zu vernehmenden Ruf nach mehr Demokratie, nach mehr Volksabstimmungen, nach direkter Internetdemokratie und lauter werdender Kritik an der Tätigkeit oder auch Untätigkeit der Parlamentarier. Also, musste ich folgern, bestünde theoretisch die Gefahr, dass die Todesstrafe schon bald wieder einmal ihren Siegeszug durch deutsche Lande führen würde. Im an die Wand stellen und Aufhängen waren wir ja schon mal an der Weltspitze.
Aber dann setzte ich entspannt ein breites Grinsen auf und dankte den Eltern für ihre Weisheit. Nein, nicht meinen Eltern, sondern den Müttern und Vätern unseres Grundgesetzes. 61 Väter und 4 Mütter. Die kannten ihr Volk und seine schwelenden Mordgelüste, seine archaischen Rachebedürfnisse und seine ständige Gefährdung, die Würde des Menschen gering zu schätzen. Und weil sie sie kannten,haben sie dem deutschen Volk eine demokratische Notbremse verpasst, einen unüberwindlichen Wall gegen die Unmenschlichkeit.
Ja liebe Todesstrafenfans, blutdürstige Racheengel, geifernde Stammtischgesellen. Ihr könnt so viele werden wie ihr wollt, die Todesstrafe bekommt ihr trotzdem nicht ! Wegen der Verfassungsväter und -mütter. Wer seine Brut kennt, der setzt ihr früh genug Schranken und da haben die ganze Arbeit geleistet. Die Verfassungsmütter und -väter machten sich auch keine Illusionen, was passieren würde, wenn sie selbst einmal nicht mehr da wären. Wenn die Eltern aus dem Haus sind, wird ja gerne mal eine wilde Fete gefeiert und das Sofa angezündet. Sie dachten auch nicht nur bis zur nächsten Wahl oder bis zur nächsten Woche. Sie dachten in Zeiträumen, die Politiker mittlerweile gar nicht mehr kennen.
Sie dachten für die Ewigkeit.
Nein, Sie haben sich nicht verlesen.
Das Grundgesetz hat eine Ewigkeitsgarantie. O.k. nicht das ganze Grundgesetz , aber die Art. 1 Abs. 1 bis 3 GG und Art. 20 Abs. 1 bis 3 GG gelten bis zum Ende aller Zeiten. Während grundsätzlich der Bundestag mit einer 2/3 Mehrheit das Grundgesetz ändern kann, haben die in die Zukunft schauenden Verfassungseltern das in Art. 79 Abs. 3 GG für bestimmte ihnen ganz wichtige elementare Regeln ein für allemal verhindert. („Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.“ ).
Der ein oder andere Oberschlaue wird jetzt anmerken, dass da aber nichts von Art. 102 GG drinsteht, der lapidar feststellt " Die Todesstrafe ist abgeschafft". Ja richtig, auf den ersten trüben Blick. Weil aber das Verbot der Todesstrafe sich aus dem Prinzip der Menschenwürde ergibt, ist es nichts mit ändern, denn die Menschenwürde wird durch Art. 1 GG geschützt.
Also liebe Todesstrafenfans - vergesst es !
Ich bin zwar auch ein Gegner der Todesstrafe (wegen des Restrisikos, Unschuldige hinzurichten), aber diese Rechtsauffassung halte ich nicht für so evident, wie sie heute meist gehandelt wird:
>> Weil aber das Verbot der Todesstrafe sich aus dem Prinzip der Menschenwürde ergibt, ist es nichts mit ändern, denn die Menschenwürde wird durch Art. 1 GG
geschützt. <<
Wenn der Schutz der Menschenwürde und die Todesstrafe sich gegenseitig ausschließen würden, hätten die AutorInnen des GG die TS nicht 101 Artikel hinter dem ersten ausgeschlossen, sondern eine Legaldefinition dieses Inhalts in Artikel 1 oder 2 aufgenommen.
Auch das Bundesverfassungsgericht hat es noch in den 60er Jahren für im Hinblick auf die Art. 1 und 102 GG unproblematisch angesehen, einen Mörder französischen Henkern auszuliefern, weil der im Rechtsstaat Frankreich einen ordentlichen Prozess bekommen hatte. Außerdem ist auch der Ewigkeitsanspruch der Väter und Mütter des GG nicht ganz so absolutistisch zu sehen, wie er hier dargestellt wurde. Das geht ganz unmissverständlich aus Art. 146 GG hervor.
Fazit: Wenn es um`s Eingemachte - höchstrangige zivilisatorische Errungenschaften - geht, darf man sich nicht auf vorhandenen §§ und Artikeln ausruhen. Jede Art von Recht muss von starken Menschen gelebt, eingefordert und durchgesetzt werden.
Wenn man sich auf fremden Lorbeeren ausruht, ist die Erosion des Erreichten vorprogrammiert.