Mario Monti Gefangener seiner selbst 02.06.2012 · Mario Monti steht sich selbst im Weg. Große Hoffnungen ruhten auf ihm, als er italienischer Ministerpräsident wurde - doch eine nach der anderen enttäuscht er sie nun.
Von Tobias Piller, Rom
ario Monti verliert an Strahlkraft. Zuletzt brachten zwei Erdbeben in Norditalien und ein Bombenanschlag in Bari Trauer und Besorgnis in die Regierungsarbeit. Monti zeigte sich betroffen, hielt sich aber zurück. Damit distanzierte sich der italienische Ministerpräsident von seinem Vorgänger Silvio Berlusconi, der 2009 das Erdbeben in L’Aquila genutzt hatte, um sich als Macher zu inszenieren. Monti zeigte sich, aber nicht aufdringlich.
Als er Anfang November 2011 die Regierung übernahm und in Europa mit offenen Armen empfangen wurde, atmete Italien noch auf. Endlich war die Zeit vorbei, in der alle Italiener von den Ausländern nur Anspielungen über den schillernden Ministerpräsidenten zu hören bekamen. Während sich niemand mehr mit Berlusconi fotografieren lassen wollte, wurden Monti besondere Ehren zuteil. Denn er besitzt die Fähigkeit, schnell die Sympathie seiner Gesprächspartner zu gewinnen. Zudem sind seine Kenntnisse als Professor für Wirtschaftspolitik in der Krise sehr nützlich, ebenso seine klar verständlichen Erklärungen komplizierter Zusammenhänge.
Manche Erwartungen gingen zu weitDoch manche Erwartungen gingen zu weit. Das verstehen die Italiener erst jetzt, da Montis Regierung immer weniger Kraft für Veränderungen und Reformen aufbringt. Im vergangenen Herbst verbreiteten vor allem die Oppositionsparteien, aber auch die Medien die Ansicht, das Problem sei allein Berlusconi. Sei der erst einmal weg, wären so gut wie alle Schwierigkeiten Italiens beseitigt. Diese Einschätzung hat sich nur zu einem kleinen Teil als richtig erwiesen. Tatsächlich zeigten sich die Finanzmärkte vor dem Abgang Berlusconis besorgt, nicht nur mehr wegen seiner privaten Eskapaden, sondern weil ihm die Zügel der Regierungsgewalt entglitten schienen. Mit Monti fassten die Finanzmärkte wieder Vertrauen. Der Risikoaufschlag auf Staatsanleihen sank augenblicklich. Doch nun ist genau dieser Indikator des italienischen Krisenfiebers wieder gestiegen.
Monti steht sich selbst im WegNoch schlimmer kam es bei der geplanten Reform des Arbeitsmarktes. Die von Monti ausgesuchte Arbeitsministerin Elsa Fornero hatte zunächst das Prinzip verfochten, dass die Unternehmen nur dann mehr Mitarbeiter einstellen würden, wenn auch Entlassungen leichter seien. Dieses Prinzip wollten Fornero und Monti erst gegen jeden Widerstand verteidigen. Doch in der letzten Nacht vor dem endgültigen Reformentwurf gaben die beiden klein bei, ausgerechnet gegenüber der Gewerkschaft mit extrem überkommenen Vorstellungen, der aus kommunistischen Wurzeln erwachsenen CGIL.
Nun ist in Italien die große Auseinandersetzung um die Reformen ausgeblieben, aber auch die erhoffte Wende zu mehr Zuversicht - und natürlich auch der Wachstumssprung. Monti und seine Minister erweisen sich als längst nicht so entscheidungsstark, wie erwartet worden war. Inzwischen sind auch Grenzen von Montis Macht und Reformwillen deutlich geworden. Monti war als Ministerpräsident von Staatspräsident Giorgio Napolitano eingesetzt worden und hängt damit auch von dessen Unterstützung ab. Als Napolitano - einst im reformerischen Flügel der kommunistischen Partei - für die Arbeitsmarktreformen Kompromisse mit den Gewerkschaften verlangte, musste Monti zurückstecken.
Außerdem steht sich Monti selbst im Weg. Obwohl er zehn Jahre Erfahrung als europäischer Kommissar in Brüssel sammelte, ist er als Politiker Monti dünnhäutig und verträgt Kritik nicht gut. Zudem will er sich nicht mit einem kompromisslosem Auftreten seine Zukunft verbauen. Denn viele sagen Monti nach, er wolle im Frühjahr 2013 Staatspräsident werden. Deshalb darf er nun, im Moment der Krise, nicht zu sehr auf Distanz zu den anderen Parteien gehen und kann auch nicht reihenweise Vertrauensabstimmungen nach dem Motto „Alles oder nichts“ fordern.
Anarchie und AuflösungserscheinungenDamit ist der Ministerpräsident jedoch auch zum Gefangenen der drei Parteien geworden, die ihn stützen, aber keine Koalition sein wollen. Wie tief alle drei in der Krise stecken, hat sich gerade bei den Kommunalwahlen gezeigt. Berlusconis „Partei der Freiheit“ (PdL) hat ihren charismatischen Führer verloren, findet aber keinen neuen und zeigt parteiinterne Anarchie und Auflösungserscheinungen. Das linke Sammelbecken der „Demokratischen Partei“ (PD) trägt noch immer jahrzehntealte interne Flügelkämpfe aus. Im Zentrum wollte sich Pierferdinando Casini als Chef der christdemokratischen Splitterpartei UdC zum Protektor und Förderer Montis aufschwingen. Casinis bisherige Verbündete, der im Streit von Berlusconi geschiedene Parlamentspräsident Gianfranco Fini und der ehemalige römische Bürgermeister Francesco Rutelli, erweisen sich aber als schwache Auslaufmodelle.
Und Monti könnte bei den nächsten Wahlen nicht ein Zugpferd, sondern eine Last sein. Denn mittlerweile wird den italienischen Bürgern bewusst, wie sehr Monti die Steuern erhöht hat. Mit einem kräftigen Satz nach oben bei der Mineralölsteuer sind Italiens Benzinpreise die höchsten in Europa und liegen knapp unter der Schwelle von zwei Euro je Liter. Am 18. Juni müssen die Italiener dazu die erste Rate einer neuen Immobiliensteuer entrichten, von der man noch nicht weiß, wie hoch sie am Ende sein wird.
Aus Sicht von Monti gibt es nur eine Rettung: Deutschland und Angela Merkel sollen Italien retten, generell mehr Schulden erlauben, den Italienern mit Eurobonds das Schuldenmachen verbilligen, möglichst noch mit einer Garantie für die italienischen Staatsschulden. Etwas flehentlich, etwas trotzig sagte Monti, zur Überwindung der Krise „soll Deutschland tief in sich gehen, und das ziemlich schnell“.http://www.faz.net/aktuell/politik/ausl ... 71878.htmlDas wurde erwartet. Auch Monti wird nichts erreichen, genau wie Berlusconi.