Uel hat geschrieben:Die Frage bleibt, ob das Verfassungsgericht nicht in den Geruch von Kompetenzüberschreitung kommt, denn meiner Ansicht nach hat nur der Wähler die Lizenz, schlechte Politik abzuwählen. Wenn Verfassungsrichter ab jetzt zu beurteilen glauben, was gute und was schlechte Zukunftspolitik ist mittels Dingen, die teilweise noch nicht realitätsreif sind, dann sollten sie herabsteigen vom juristischen Olymp und als Politiker sich dem Wähler stellen. Konsequenter Weise müssten sie ansonsten dem Wähler Hinweise geben, wie er in ihrem Sinne richtig zu wählen habe. Ich denke, Historiker werden einst dies als eines der problematischten Urteile des Gerichts handeln.
Die Verfassungsrichter werden nach Parteibuchproporz von den Spitzenpolitikern ausgesucht. Letztere bevorzugen natürlich Richter, die sich in der Vergangenheit durch Urteile oder andere Publikationen in ihrem politisch - ideologischen Sinne hervorgetan haben. Kennzeichnend für diese Richter ist also, dass sie typischerweise juristische Sachverhalte durch ideologische Brillen betrachten. Das kann natürlich irgendwann zum Rohrkrepierer für die Politiker werden, wenn ein überbordendes politisches Bewusstsein der Richter in Einzelfällen eine Art Gegenregierung ohne demokratisches Mandat hervorbringt.
Meistens sind diese Verhältnisse aber sehr bequem für die Politiker. Wenn eine politisch sehr sensible Frage entschieden werden muss, riskieren sie ja im schlimmsten Fall eine Wählerbewegung zu ihren Ungunsten. Da ist es doch ein genialer Ausweg, einfach ein verfassungswidriges Gesetz zu schnitzen und in den Bundesverfassungsautomaten in Karlsruhe zu stecken. Der spuckt dann eine Gebrauchsanweisung für Politiker aus, wie das Gesetz auszusehen hat. Da dieser Automat sich nicht vor irgendwelchen Wählern verantworten muss, die Politiker aber auf ihn zeigen und sich selbst von jeglicher Verantwortung freizeichnen können, ist so die ideale Arbeitsteilung für das Management eines wahrlich krisenfesten Staates entstanden, den nicht einmal mehr Wahlen irgendwie durcheinanderbringen können.