von Excubitor » So 28. Feb 2021, 01:05
- Die R-Zahlen steigen, sind wieder im kritischen Bereich.
- Die Neuinfektionen haben im Vergleich zur Vorwoche eine steigende Tendenz.
- Die 7-Tage-Inzidenzzahl im Bund steigt seit mehreren Tagen wieder, liegt derzeit bei rund 64.
- Das Infektionsgeschehen beschleunigt sich seit ein paar Tagen wieder.
- Lediglich die Zahlen der Todesfälle und Corona-Intensivpatienten sinken leicht.
Das ist eine brisante Situation, wie wir sie vor der zweiten Welle schon einmal hatten,
nur diesmal wegen der schnellen Ausbreitung der Mutanten ungleich gefährlicher.
Wer auf die Impfkampagne hoff, den muss ich enttäuschen. Die Impfungen werden nicht eher
nachhaltigen Einfluss auf das Pandemiegeschehen gewinnen können,
bevor nicht etwa 30 % der Bevölkerung geimpft sein werden.
Wir sind aktuell gerade bei 4,7 % Erst- und 2,4 % Zweitgeimpften.
Wer jetzt so lockert, wie von einigen geplant, lockert, je mehr unkontrollierbare Kontakte er/sie ermöglicht,
direkt in eine starke dritte Welle hinein, die einigen Experten zufolge bereits begonnen hat.
Eine der aktuellen Fragen derzeit ist, ob es einfach nur Wahltaktik ist, oder doch Einfältigkeit gepaart mit
Lernresistenz gegenüber gemachten Erfahrungen aus der jüngeren Vergangenheit, oder, wie Zyniker
behaupten könnten, sogar möglicherweise eine perfide Strategie dahinter vermutet werden könnte. Denn je mehr nun
strategielos, planlos und chaotisch geöffnet werden wird, um so weniger wird man hinterher einzelne Verantwortliche konkret
für die dann unzweifelhaft wieder ansteigenden Neuinfektionen und Sterbefälle verantwortlich machen können. Solange die
einzelnen "Länderfürsten(Innen)" keine bundesweit taugliche Gesamtstrategie vorweisen können, jede(r) sein eigenes Süppchen
kocht und dennoch von Strategie faselt, sogar, wie mehrfach geschehen, gegen gemeinsame Beschlüsse verstoßen wird, kann dafür
von Bürgerseite objektiv keinerlei Verständnis aufgebracht werden, vor allem weil die derzeitigen Öffnungspläne offenkundig
machen, dass man aus dem bisherigen Verlauf der Pandemie in Deutschland nur wenig gelernt zu haben scheint. Fehler begehen ist
menschlich, aber dieselben gleich mehrfach bewusst zu wiederholen ist definitiv inakzeptabel, wenn nicht sogar intolerabel.
Wer meint in einer Situation den Lockdown lockern zu müssen, in der sowohl der Inzidenzwert, als auch andere wichtige Grundlagengrößen
die man mit beachten muss, weit davon entfernt sind, die Situation dafür geeignet erscheinen zu lassen, könnte das nur dann verantwortungsvoll
tun, wenn er/sie in der Lage wäre diejenigen geplanten Öffnungen, die mit vielen Kontakten einhergehen, konsequent und gleichmäßig zu überwachen und
Verstöße hart und unnachsichtig zu ahnden, wie es jetzt teils schon vorgeschrieben ist, aber zu oft nicht getan wird. Da aber weder eine konsequente
Überwachung de facto möglich erscheint, die Regeln bisher schon nicht konsequent genug durchgesetzt worden sind, noch eine nachhaltige
allgemeine Teststrategie vorliegt, scheint eine verantwortungsvolle breitflächige Lockerung unter den gegebenen Umständen ausgeschlossen.
Zur Erinnerung: Vor der zweiten Welle lag der Inzidenzwert bei ca. 50, es gab keine aggressiven Mutanten und dennoch ist man mit Volldampf in die Welle
gerauscht. Die jetzigen Umstände sind deutlich ungünstiger als damals.
Natürlich können wir nicht dauerhaft im Lockdown leben, müssen aber jetzt schon die Rechnung für bislang gemachte Fehler begleichen.
Die einzige Möglichkeit, ohne völlig auf Lockerungen zu verzichten, bestünde darin, in ganz kleinen, nachvollziehbaren und vor allem in ihren Auswirkungen
kontrollierbaren Schritten vorzugehen. Es wird jetzt alles an der tatsächlichen Kontrollierbarkeit der Auswirkungen von Lockerungen hängen. Wir haben
objektiv jetzt noch keine Kontrolle über die Pandemie. Um so mehr kommt es jetzt darauf an, jeden weiteren Schritt so voran zu setzen,
dass dieser nicht zu einem weiteren Kontrollverlust führen kann. Das ist in der aktuellen Lage eine extrem anspruchsvolle Aufgabe, die mit einem
"Jeder macht was er will, keiner was er soll, aber alle machen mit", wie bisher unter den Ländern, definitiv nicht gelöst werden kann.
Konkreter heißt das unter anderem, nach jedem Lockerungsschritt in ein-, besser zweiwöchigem Abstand dessen Auswirkungen zu prüfen und
dann Angleichungen vorzunehmen, falls erforderlich, bevor weitere Lockerungen erfolgen könnten.
Eines muss allen jetzt klar sein, vor allem den Verantwortlichen: Auch zurückhaltende Lockerungen werden sich auswirken.
© TU Graz Solidarität mit den Menschen in der UkraineWer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren. (Berthold Brecht)