Staber hat geschrieben:Excubitor hat geschrieben:Mittlerweile habe ich die vollständigen Aufnahmen des Hergangs in Atlanta sehen können, wonach sich folgendes Bild ergibt:
Anscheinend stand Rayshard Brooks mit seinem Fahrzeug auf einem Supermarkt-Parkpklatz um, wie es heißt, einen Rausch auszuschlafen. Dort holten die Beamten ihn aus dem Fahrzeug und ließen sich Führerschein und Personalausweis aushändigen, während Brooks ihnen vom Geburtstag seiner Tochter erzählte, zu dem er wollte, was auf dem Video klar zu hören war. Nach Feststellung der Personalien hätten die Beamten ihn schlicht und einfach in ein Taxi setzen und gehen lassen können, da er bis dahin ja absolut nichts strafrechtlich relevantes getan hatte. Doch was machen die Beamten: Ohne erkennbaren Grund wird Brooks verhaftet und man versuchte ihm Handschellen anzulegen. Hoch wahrscheinlich weil er durch die mutmaßlich illegalen Versuch der Verhaftung den Besuch seiner Tochter gefährdet sah, der ihm offensichtlich sehr wichtig war, kam es bei Brooks zu einer Kurzschlussreaktion, bei der er sich los riss, einem Beamten den Taser entriss und flüchtete. Während er nur ein paar Meter gelaufen war, drehte er sich kurz um und feuerte den Taser in Richtung eines der ihn mit gezogenen Waffen verfolgenden Beamten ab, war danach also absolut unbewaffnet. Dessen absolut gewiss feuerte der Todesschütze ihm, der sich zwischenzeitlich wieder umgedreht hatte und weiter flüchtete, zweimal in den Rücken.
Nach dieser Sachlage kann kaum ein zweifel an der Strafbarkeit des Polizisten bestehen, der die tödlichen Schüsse abgab. Selbst nach US-Recht, das nicht nur in den einzelnen Staaten sehr unterschiedlich sondern vielfach deutlich harscher ist als unseres hätte er einen flüchtenden Unbewaffneten nicht in den Rücken und schon gar nicht erschießen dürfen, da dieser zu der Zeit, für Ihn klar erkennbar, absolut keine Bedrohung mehr darstellte.
Der Polizist dürfte nach der von hier feststellbaren Sachlage also mindestens der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig sein. Wie schon erwähnt, macht es sich, sollte es dort zu einer Anklage kommen, vor einer Jury überhaupt nicht gut jemanden in den Rücken zu schießen, noch dazu gleich zweimal. Wird er angeklagt, darf er sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schon als verurteilt betrachten. Alles andere wäre schon sehr außergewöhnlich.
Geehrer Excubitor!. Nach Feststellung der Personalien hätten die Beamten ihn schlicht und einfach in ein Taxi setzen und gehen lassen können, da er bis dahin ja absolut nichts strafrechtlich relevantes getan hatte.
Das ist letzten Endes wohl nicht die Aufgabe der Polizei, vermute ich mal. Besser wäre es wohl gewesen einfach cool zu bleiben und zu erklären was passiert:
"Wir nehmen Sie jetzt mit zur Wache - dort machen wir einen Alkoholtest, danach rufen wir Ihre Familie und Sie gehen nach Hause" oder irgend so was. Dann weiß man was kommt und hat keinen Grund Angst zu haben, dann sind Handschellen vielleicht nicht mal nötig. Der Typ hat wie auch immer einen Polizisten angegriffen, seinen Taser entwendet und auf einen Polizisten geschossen. Da wird man den Polizisten kaum dafür belangen können, wenn er zurück schießt.
Ich hoffe nur stark, dass der Richter sich von keinerlei politischen Stimmungen beeinflussen lässt.
Hallo werter Staber,
der Vorschlag ist zwar gut, aber da die Beamten sich bereits im Besitz der Personalien befanden, bestand nur leider kein Grund ihn mit zur Wache zu nehmen. Brooks war bei Antreffen anscheinend am pennen, hatte nicht mal die Absicht zu fahren ...
Zur rechtlichen Bewertung: Das Losreißen war nach den erkennbaren Abläufen eine Verteidigungshandlung gegen eine unrechtmäßige Verhaftung, das Entwenden des Tasers eine überschießende Handlung, allerdings von strafrechtlicher Relevanz, möglicherweise eine Übersprunghandlung. Ein Verteidiger in den USA würde wahrscheinlich soweit gehen, selbst das Abfeuern des Tasers als Verteidigungshandlung zu klassifizieren. Brooks nutzte den Taser erst, ohne großartig damit zu drohen, als er erkannte, dass die Beamten mit gezogenen Waffen auf ihn zielten. Das kann man sogar so sehen. Denn die Beamten haben den Mann mit Schusswaffen bedroht, und zwar aufgrund des vorhergehenden Ablaufs, ihrer vorhergehenden Handlung, ebenfalls unrechtmäßig, wobei man das aufgrund des entwendeten Tasers auch andersherum auslegen könnte.
Man könnte die Verwendung des Tasers sogar als Notwehrhandlung ansehen. Der Polizist hat nicht zurückgeschossen, sondern war zu der Zeit rechtlich betrachtet der Angreifer. Um das wirklich korrekt beurteilen zu können, müsste man den Ablauf minutiös, Sekunde für Sekunde auseinander nehmen.
Wie auch immer die Beurteilung ausgehen würde, was auf gar keinen Fall geht, ist einen Unbewaffneten in den Rücken zu schießen. Dazu ist niemand und zu keiner Zeit berechtigt. Ein harter Staatsanwalt legt das in den USA mindestens als "Murder Second Degree" aus, also "Mord zweiten Grades", bei uns etwa Totschlag. Bei uns ginge das nicht, da der Mann noch bis ins Krankenhaus gelebt hat; da ginge nur Körperverletzung mit Todesfolge.
Auch nach deutschem Recht hätte der Beamte kein Recht gehabt einen unbewaffnet Flüchtenden in den Rücken zu schießen. Auf die kurze Entfernung war es geradezu ein Muss auf die Beine zu zielen. Genau genommen hätte man gar nicht auf den Mann schießen dürfen, als der nicht mehr bewaffnet war. Es lag keinerlei Bedrohungssituation für die Beamten mehr vor. Somit war der Einsatz der Schusswaffe in dem Augenblick absolut unverhältnismäßig. Und, wie schon mehrfach betont, sieht es für den Vorsatz des Beamten ganz dumm aus, da er, insoweit ohne Grund, Brooks in den Rücken geschossen hat, und das sogar gleich zweimal. Da ist, wo auch immer, eine Bestrafung unausweichlich, wenn es nur irgendwie rechtsstaatlich zugehen soll. Es ist mir unbegreiflich, wie man darauf kommen kann, den Polizisten nicht belangen zu können ...
Schöne Grüße nach Bremen