Re: Deutschland, quo vadis?
Verfasst:
Di 2. Apr 2019, 10:37
von AlexRE
"Kleiner Umfang" und "später ausweiten" verstehe ich so, dass die politische Klasse dem Volk nach Gutdünken Mitbestimmungsrechte zuteilen kann. Das wäre für mich keine fundamentale Verbesserung der heutigen Situation.
Es müsste natürlich Einschränkungen geben, insbesondere die Möglichkeit der Untersagung bestimmter Abstimmungen durch das Bundesverfassungsgericht zum Schutz von Einzelnen und Minderheiten vor Mehrheitstyrannei.
Außerdem wäre es in Deutschland wohl ratsam, Volksabstimmungen über fiskalische Themen auszuschließen, so wie das in der Weimarer Republik geregelt war. Für weitere Beschränkungen, die unsere Politversager dem Volk auferlegen sollten, sehe ich überhaupt keine Legitimation.
Re: Deutschland, quo vadis?
Verfasst:
Di 9. Apr 2019, 10:34
von maxikatze
Re: Deutschland, quo vadis?
Verfasst:
Di 9. Apr 2019, 15:19
von Livia
Wo er recht hat, da hat er recht. Da kommen immer wieder Gedanken mit meinem Grossvater, der vor dem zweiten Weltkrieg in Deutschland auch enteignet wurde, nach über dreissig Jahren harter Arbeit, wie es sowieso zu jener Zeit auch war, so etwas kann man nie vergessen. Das darf nicht sein.
Auch die Justiz wird immer lebensfremder
Verfasst:
Di 9. Apr 2019, 15:26
von Excubitor
Xing Branchen-News gesundheit/ Heilpraxisnet.de - "Komplikationen bei Operationen: 20 Prozent Risiko gilt noch als „vereinzelt“http://www.xing-news.com/reader/news/ar ... igin=emailKommentar
Ein unfassbares Urteil, anscheinend basierend auf der immer realitätsfremder werdenden Rechtsprechung des BGH. Ich weiß nicht wo die Richter ihre angeblichen Kenntnisse über den allgemeinen Sprachgebrauch beziehen, jedoch meint niemand den ich kenne, und das sind sehr Viele, mit dem Wort "vereinzelt" auch noch jeden Fünften von was auch immer. Werte Richter: Vereinzelt bedeutet sehr selten und jeder Fünfte ist ganz sicher nicht sehr selten.
Schon in der Rechtsprechung zum Mietrecht hat sich seit 2004 so eine, ein Zyniker könnte das schon eine Art neo-feudalistische Rechtsprechung nennen, abstruse Beurteilung von Lebenssachverhalten festgesetzt, nach der Messfehler der Wohnfläche von bis zu 10 % keinen Mangel der Mietsache darstellen. Bitte? Das Ergebnis dieses Fehlers wiederholt sich ständig jeden Monat und hat auch noch erheblichen Einfluss auf den Wert der zu bezahlenden Nebenkosten. Da kommen ganz erhebliche finanzielle Schäden zusammen, die nach dem BGH angeblich keine sind, in der Realität aber mächtig zu Buche schlagen. So sichert man den Vermietern eine nette, zusätzliche Einnahme. Konkretes Beispiel zum besseren Verständnis: Bei einer 50m²-Wohnung können bis zu 55 unschädlich abgerechnet werden. Das heißt sie müssten bei einem zur leichteren Rechnung fiktiv angenommenen Quadratmeter-Preis von 5 € durch die Rechtsprechung abgesichert jeden Monat bis zu 25 Euro zuviel bezahlen ohne dass sie das als Schaden geltend machen können. Begründet wurde das unter anderem mit Rechtssicherheit: Hallo? Rechtssicherheit wäre wohl auch gegeben, wenn man von vornherein die tatsächlich vorhandene Wohnfläche festgeschrieben hätte. Nicht vorhandene 10 % sind auch als angenommene Toleranz nach hier vertretener Auffassung schlicht Volksbetrug.
2015 hat sich der BGH ausschließlich für die zukünftigen Mieterhöhungen von dieser irrsinnigen Praxis abgewandt und auf die tatsächliche Wohnfläche abgestellt, ohne allerdings festzustellen, dass das auch für die Vergangenheit (zumindest bis zur Verjährungsfrist zurückreichend) und für die Betriebskostenabrechnungen gelten müsste. Auch wenn es in dem Urteil um etwas anderes ging. wäre es kein Problem gewesen, wenn man nur gewollt hätte, den Zusammenhang, bzw. die Rechtsauffassung des Gerichts dazu, in einem Nebensatz des Urteils kurz festzustellen. So muss man davon ausgehen, dass das nicht gewollt war und der Irrsinn geht weiter. Schon 2016 sollte angeblich eine Gesetzesänderung dazu erfolgen. Und was haben wir heute: 2019 und absolut gar nichts ist geschehen. Da können sich Politiker und Richter wieder einmal die Hand reichen was das Staatsversagen betrifft.
Man kann sogar noch eins drauf setzen: Wie nennt man das, wenn Dinge abgerechnet werden, die gar nicht vorhanden sind? Eben. Betrug. Diese Rechtsprechung, die Vermietern zugesteht 10 % nicht Vorhandenes abzurechnen ist eine Art des legalisierten Betrugs wenn man so will.
Alex' schon mehrfach im Zusammenhang mit dem von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgehöhlten Notwehrrecht geäußerte Kritik ist mehr als berechtigt.Diesen Beitrag hätte man auch gut in dem Thread "Aspzial-Staat Deutschland" unterbringen können ...
Re: Deutschland, quo vadis?
Verfasst:
Fr 26. Apr 2019, 17:26
von AlexRE
Freiwillige Selbstverpflichtungen haben in der Vergangenheit kaum funktioniert. Ein Beispiel ist die Selbstverpflichtung der Banken, jedem Bürger ein Guthabenkonto einzurichten. Sogar diese absolute Notwendigkeit hat sich als Hütchenspiel von Lobbyisten erwiesen. Ohne gesetzliche Regelung ging es letztendlich nicht. Wenn heute noch ein Politiker mit diesem Blödsinn kommt, arbeitet er für eine Lobby und nicht für seine Wähler und die grundgesetzliche Ordnung.
Deutsche Politik mit zunehmenden Qualitätsmängeln
Verfasst:
So 28. Apr 2019, 18:49
von Excubitor
Gleich auf welches Sachgebiet man die Aufmerksamkeit richtet, die Qualität deutscher Politik, insbesondere der Legislative nimmt mit zunehmender Geschwindigkeit ab. Immer mehr Gesetze bedürfen der erheblichen Nachbesserung, was eindeutig dafür spricht, dass diese einfach nur noch "mit der heißen Nadel zusammen geschustert" wurden, ohne dass man sich im vorhinein ausreichend Gedanken dazu gemacht und es im Hinblick auf Vollständigkeit und mögliche Problemkonstellationen sauber ausgearbeitet hat. Darüber hinaus werden seit langem bestehende Probleme gar nicht erst bearbeitet, sondern bei Protest kurz angerissen und dann unter den Teppich gekehrt.
Ein paar konkrete Beispiele von unzähligen:
Die sogenannte Mietpreis-Bremse war seit langer Zeit überfällig, ist aber disfunktionabler Murks geworden.
Man hat es in Jahrzehnten nicht geschafft ein funktionierendes, gerechtes Mietrecht zu schaffen. Ich nenne das Totalversagen. Für den Fall, dass das sogar gewollt ist, handelt es sich um Neo-Feudalismus. Bei der Wohnflächenberechnung beispielsweise werden unnötiger Weise noch heute drei verschiedene Bemessungsgrundlagen verwendet, was völlig unnötige Konflikte hervorruft. Darüber hinaus lässt es die Rechtsprechung zu, dass 10 % gar nicht vorhandener Wohnfläche seitens der Vermieter als sog. "Fehlertoleranz" berechnet werden dürfen, ohne dass der Mieter Schadenersatz geltend machen kann. Eine völlig irreale und unnötige "Toleranz", die man im Normalfall als Betrug bezeichnen würde und die mit einem einzigen Satz in einem Urteil aus 2015 hätte beseitigt werden können. 2016 sollte es dazu bereits eine Gesetzesvorlage geben. Was ist geschehen? Rein gar nichts. Ebenso hätte man auch eine allein gültige Bemessungsgrundlage längst feststellen können. Auch der deutsche Mieterbund hat dazu nur ein paarmal kurz "gebellt", und nichts weiter erreicht ...
Die Ungerechtigkeit geht weiter, gedeckt von Politik und Rechtsprechung. Was ist los in diesem verlogenen Land? Gibt es hier niemanden mehr mit Rückgrat?
Jetzt wird seitens Arbeitsminister Heil so getan als würde es eine Verbesserung für Paket-Dienstleister geben. Nur kommt der wichtigste Punkt gar nicht in seiner Vorlage vor. Denn was fehlt ist ein grundsätzliches Arbeitszeitgesetz, welches festschreibt, dass für alle Berufe, und nicht nur für ausgewählte, verbindlich jede Handlung die in direktem Zusammenhang mit der Ausübung der Haupttätigkeit steht, zur Arbeitszeit gerechnet wird. Was heute tatsächlich stattfindet ist teils Ausbeutung reinsten Wassers, dass nämlich, um bei den Paketdiensten zu bleiben, das Beladen der Fahrzeuge nicht als Arbeitszeit gerechnet wird. Geht es noch? Das soll hier ein Rechts- und Sozialstaat sein? Das ist neo-feudalistische Ausbeutung unter Rückendeckung der politischen Nomenklatur.
Darüber hinaus findet ebenfalls beim gesamten Niedriglohn-Sektor, übrigens vom Ex Kanzler Gerd "der mutmaßliche Blender" Schröder weitgehend etabliert, eine indiskutable Ausbeutungspraxis statt, d.h. in Fällen der Leiharbeit genauso wie bei 450 Euro-Jobs, bei denen heute nicht nur unzumutbare Bewerbungsunterlagen, nämlich dieselben wie bei Vollzeittätigkeiten, verlangt werden, sondern die so Beschäftigten fast noch Geld mitbringen müssen, um die Tätigkeit auszuüben ... Beispielsweise gibt es massenhaft Jobs, bei denen die Beschäftigten mit eigenem Fahrzeug tätig werden sollen und natürlich keinen Fahrtkosten-Ersatz bekommen. Das bedeutet, der Arbeitgeber spart Sozialabgaben, Fahrt-und Transportkosten und der wahrscheinlich auf die Tätigkeit Angewiesene soll all dies übernehmen, wird aber nur "auf Basis" des 450 Euro-Jobs bezahlt, also nur für tatsächlich geleistete Stunden. Dabei bekommt man die tatsächliche Einkünfte oft nicht einmal genannt, sondern auf dahingehende Nachfrage den Job nicht ...
Viele Pizza-Fahrer realisieren gar nicht, dass das Ganze bei näherem Hinsehen für sie sogar schnell zum Minus-Geschäft werden kann. Denn es ist eine Milchmädchenrechnung nur das verbrauchte Benzin zu veranschlagen und nicht die gesamten Fahrzeugkosten! Selbst für einen Kleinwagen muss man heute zwischen 22 und 25 Eurocent pro Kilometer rechnen. Je länger die gefahrenen Strecken, desto schneller lohnt es sich nicht mehr. Im Extremfall gerät man sogar ins Minus und der Arbeitgeber freut sich scheckig und reibt sich die Hände.
Nicht zu vergessen, dass 2 Millionen Arbeitnehmer in Deutschland trotz Anspruchs den gesetzlichen Mindestlohn gar nicht bekommen. Was soll ein gesetzlicher Mindestlohn der nicht oder nur mit großen und vor allem teuren juristischen Anstrengungen durchsetzbar ist?
Diese Liste ließe sich nahezu beliebig fortsetzen. Dieses Land ist nicht annähernd so rechtsstaatlich oder sozial wie Politiker immer vollmundig, mutmaßlich verlogen, vorheucheln. Die Realität schreibt andere Geschichten. Aber das schlimmst daran ist: Niemand ändert etwas. Nach jeder Wahl der absolut gleiche Mist und die Bevölkerung kapiert es nicht, obwohl der einzig mögliche Schluss auf der Hand liegt.
Re: Deutschland, quo vadis?
Verfasst:
So 28. Apr 2019, 19:37
von AlexRE
Ich bin überzeugt, dass Murks dieser Art sehr oft
politisch gewollt ist. Man will den Wählern die Verfolgung bestimmter Ziele vorgaukeln, vermurkst dann die Gesetze und hält so die in Wahrheit gewollten Missstände aufrecht. Das beste Beispiel ist die Mietpreisbremse, da heucheln sie Mieterschutz, erhalten aber die Geldpumpe von unten nach oben