Bei aller Sympathie (für Böhmermann) und Antipathie (gegen Merkel und Erdogan) in diesem Fall: Die Argumentation von Frau Lill finde ich juristisch nicht sehr überzeugend.
Der § 104a StGB ist das eigentliche Sonderrecht, das die verfassungsrechtlich ausschließlich der dritten Gewalt zustehende Entscheidungsmacht über die Eröffnung eines Strafverfahrens höchst ausnahmsweise der zweiten Gewalt unterordnet. Die Abschaffung liegt im Zuständigkeitsbereich der ersten Staatsgewalt.
Wenn die Regierung nun wegen der rechtspolitischen Meinung von Regierungsmitgliedern ( "entbehrlich" ) angesichts eines Einzelfalles die Abschaffung des § 103 StGB ankündigt und gleichzeitig die Ermächtigung nach § 104a StGB
verweigert, schafft sie tatsächlich effektiv Recht ohne Beteiligung der 1. und 3. Gewalt in genau diesem Einzelfall. Verfassungsrechtlich gesehen ist es da eher die Vermeidung rechtsstaatswidrigen Einzelfallrechts, die Entscheidung in diesem Einzelfall noch der 3. Gewalt und die Grundsatzentscheidung dann der zuständigen 1. Gewalt zu überlassen.
Dass die Methode der Vermeidung des Einzelfallrechts politisch schräg anmutet, liegt eben daran, dass die gesamte politische Klasse (
außer Herrn Gauck) eine StGB - Norm für überholt gehalten, aber über Jahrzehnte hinweg nichts zu deren Abschaffung unternommen hat.