FOCUS ONLINE Gesundheit - "Stadt hebt bereits Massengräber aus - Von wegen Herdenimmunität: Brasilianische Metropole meldet massenweise Corona-Reinfektionen""Mittwoch, 03.02.2021, 17:37
Schon vor Monaten war in Manaus die Rede von Herdenimmunität. Einer Studie nach waren bereits 76 Prozent der Bevölkerung mit Corona infiziert. Dennoch wird der Ort derzeit von einer starken zweiten Welle heimgesucht. Virologe Friedemann Weber erklärt, wie es so weit kommen konnte.
Am 13. März 2020 verzeichnete die brasilianische Stadt Manaus ihren ersten Corona-Fall. Was dann folgte, ist ein Paradebeispiel dafür, was passiert, wenn sich ein Virus ohne Schutzmaßnahmen ausbreitet.
Sars-CoV-2 infizierte binnen weniger Wochen rund drei Viertel der Bevölkerung. Die Stadt musste Massengräber ausheben, um ihre Toten zu beerdigen. Denn in der Zwei-Millionen-Stadt starben an manchen Tagen 100 Menschen in Folge einer Infektion. Zum Höhepunkt der Pandemie waren fast die Hälfte aller Bewohner infiziert.
Erst im Mai nahm das Infektionsgeschehen langsam ab. Laut einer im Januar erschienenen Studie im Fachblatt „Science“ hatten sich bis zum Oktober 76 Prozent aller Bewohner infiziert. Das konnten Forscher anhand von Blutproben nachweisen.
Eigentlich hätte eine weitere Verbreitung des Virus damit gestoppt sein müssen, denn eine Herdenimmunität tritt laut Wissenschaftlern in der Regel schon ab etwa 67 Prozent ein. So galt Manaus bis vor kurzem als die Stadt auf der Welt, die dies bereits erreicht hat.
Zweite Welle in Manaus: Virus schlägt im Dezember zurück
Doch so einfach wie es scheint, ist es nicht. Denn seit Dezember breitet sich das Virus erneut mit voller Kraft aus. Im Januar melden die Behörden wieder täglich tausende Neuinfektionen, teilweise mehr als 3000 pro Tag. Das Gesundheitssystem ist erneut komplett zusammengebrochen. Die Krankenhäuser können die Patienten nicht mehr richtig versorgen.
Berichten zufolge fehlt es besonders an Sauerstoff, so dass Covid-19-Patienten ersticken müssen. Das Video einer Krankenschwester, die fleht: „Sauerstoff. Schickt uns Sauerstoff!“, geht durch die sozialen Netzwerke. Mittlerweile müssen Covid-19-Patienten sogar in andere Bundesstaaten ausgeflogen werden und das Land ist auf Sauerstoffspenden der Weltgesundheitsorganisation angewiesen.
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Doch woran liegt es, dass Manaus trotz vermeintlicher Herdenimmunität ein zweites Mal so stark vom Coronavirus getroffen wurde? Wie kommt es, dass die Stadt wieder reihenweise Infektionen meldet - bei so vielen Menschen, die bereits eine Infektion durchgemacht haben?„Man hat sich in Sicherheit gewogen, schätzt Virologe Friedemann Weber von der Uni Gießen die Lage in Manaus ein, leider ein bisschen zu sehr“. Für die zweite Infektionswelle macht er zwei mögliche Faktoren verantwortlich.
1. In Manaus gibt es keine Herdenimmunität (mehr)Laut Weber ist es möglich, dass es in Manaus zu keinem Zeitpunkt eine tatsächliche Herdenimmunität gab. Zwar hätten Studien bei mehr als 70 Prozent der Einwohner Antikörper nachgewiesen. Das ist aber nicht mit deren Immunität gleichzusetzen. „Wir können es nicht eindeutig sagen“, erklärt Weber.
„Höchstwahrscheinlich liegt es aber daran, dass die Infektionen bei vielen so schwach waren, dass sie auch keine starke Immunität aufgebaut haben.“ Wenn jemand nur leichte Erkältungssymptome habe, dann habe er zwar Antikörper. „Aber die Immunität ist nicht stark genug, um vor einer Reinfektion zu schützen“. Als Faustregel gelte: Je heftiger die Symptome, umso heftiger ist auch die Immunantwort. Die Folge:
Wer keine oder nur leichte Symptome hatte, kann sich erneut infizieren oder das Virus weitergeben.[...]
2. Antikörper wirken nicht gegen Escape-MutationenAls zweiten möglichen Verantwortlichen für die Reinfektionen nennt Weber die Antikörper. Deren Wirkung wird durch Mutationen eingeschränkt.
So wurde etwa in Manaus erstmals die Corona-Mutation P1 festgestellt. P1 unterscheidet sich in 17 Aminosäuren von dem Ursprungs-Sars-CoV-2-Virus. Es wurde
von britischen und brasilianischen Wissenschaftlern bei Genom-Analysen in Brasilien entdeckt, seit Anfang Januar tritt es auch in Japan verstärkt auf.
Im Erbgut des P1-Virus sind auch sogenannte „Immun-Escape-Mutationen“. „Bei diesen wirken die Antikörper aus der ersten Welle nicht mehr so gut“, erklärt Weber. Diese Mutation befindet sich an einer Stelle im Spike-Protein des Virus. Dadurch scheint es bestimmte Antikörper nicht mehr binden zu können. Das Virus lässt sich also nicht mehr so leicht neutralisieren, es entkommt also zumindest teilweise der Immunantwort des Körpers.
„Und das, kombiniert mit der ohnehin nur schwachen Immunität bei vielen Menschen führt dazu, dass die Pandemie dort ein zweites Mal durchrasen konnte“, erklärt Weber. Sind die Mutanten zudem ansteckender als das Ursprungsvirus - bei der in Europa besonders weit verbreiteten Variante B.1.1.7 gehen Forscher von etwa 50 Prozent mehr Ansteckungen aus - verändert das den R-Wert im Land. Dieser ist jedoch maßgeblich für den für eine Herdenimmunität notwendigen Anteil immuner Personen.
Kurz:
Je ansteckender ein Virus, desto höher der R-Wert. Je höher der R-Wert, desto höher die Infektionsrate, um Herdenimmunität zu erwirken.[...]"
Mehr dazu unter der Quelle:https://www.focus.de/gesundheit/news/vi ... 36870.htmlKommentar
Die Quintessenz des Ganzen ist schlicht: Durchseuchung ist keine Option.Zum Thema "Escape-Mutationen" siehe insbesondere:http://taeglich-ueberleben.xobor.de/t97 ... ml#msg1183