FOCUS ONLINE Gesundheit - "RKI und WHO missachteten Studie - Warnung ignoriert: Entscheidender Fehler im Kampf gegen Corona unterlief uns im Januar""Dienstag, 30.06.2020, 16:11
Schon Ende Januar fand eine Münchner Forschergruppe heraus, dass Covid-19-Patienten in der Inkubationszeit infektiös sind. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie sofort in einer Fachzeitschrift. Doch statt die Warnung ernst zu nehmen, spielten die Gesundheitsorganisationen sie herunter.
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So war es Camilla Rothe, stellvertretende Leiterin der Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin am LMU-Klinikum München, die den neuartigen Erreger Sars-CoV-2 am 27. Januar zum ersten Mal bei einem deutschen Patienten identifizierte.
Zur Erinnerung: Es handelte sich um einen 33-jährigen Mitarbeiter des Autozulieferers Webasto, der sich bei einer Kollegin aus China angesteckt hatte. Diese wiederum hatte während ihrer Dienstreise in Deutschland keine Krankheitssymptome gezeigt; erst nach ihrer Rückkehr fühlte sie sich unwohl. In Shanghai wurde sie positiv auf das Virus getestet.
Zu diesem Zeitpunkt glaubten die meisten Wissenschaftler noch, dass nur Patienten mit Symptomen infektiös sind. Rothe und ihr Forschungsteam indes zweifelten daran. Denn nach ihren Beobachtungen könnte der Erreger durchaus in der Inkubationszeit weitergegeben werden, noch bevor sich erste Symptome zeigen – so wie bei der chinesischen Webasto-Kollegin.
Schon am 30. Januar ging der Bericht onlineSofort teilte Rothe ihre Erkenntnisse ihrem Chef Michael Hölscher mit, der sich wiederum an die Fachzeitschrift „The New England Journal of Medicine“ (NEJM) wandte. „Wir halten unsere Beobachtungen für außerordentlich wichtig“, soll er nach Angaben der „New York Times“ geschrieben haben.
Schon am 30. Januar veröffentlichten Hölscher, Rothe und ihr Team dann ihren Bericht in der NEJM:
Demnach warnten sie, dass auch Patienten, die keine Symptome haben, infektiös sind. Und ernteten direkt Zweifel.
Ein „Problem“: Sie hätten nicht persönlich mit der chinesischen Patientin gesprochen, sondern sich auf einen Bericht von Gesundheitsbeamten, die sie befragt hätten, gestützt – wonach die Frau zwar unter leichten Schmerzen und Müdigkeit litt, diese aber nicht auf eine mögliche Infektion mit dem Virus zurückführte.
RKI zweifelte Erkenntnisse von Münchner Forschern anDas Robert-Koch-Institut (RKI), das laut der „New York Times“ zweimal selbst mit der Frau telefoniert hatte, monierte, dass diese durchaus Symptome gehabt habe, sie aber nicht als Anzeichen einer Covid-19-Infektion erkannt hatte – und kritisierte damit, dass der Bericht des Münchner Forschungsteams unsauber formuliert sei.
Doch der eigentliche Konflikt sei ein anderer gewesen: Mit der Veröffentlichung ihrer Ergebnisse sind die Münchner Experten einer anderen deutschen Forschergruppe um nur drei Stunden zuvorgekommen.
Dieses zweite Team bestand aus Experten vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) und dem RKI. Sie seien mithin zu einem ganz ähnlichen Ergebnis gekommen, formulierten es allerdings anders.
Denn laut ihnen sind Patienten auch dann infektiös, bevor sie alle Symptome zeigen – also zu einer Zeit, in der ihre Symptome noch so schwach sind, dass Patienten die Infektion mit dem Coronavirus nicht bemerken.Bericht bleibt weitgehend unberücksichtigtKurz nach der Veröffentlichung des Berichtes des Münchner Teams soll Hölscher demnach einen Anruf von Andreas Zapf, Leiter des LGL, bekommen haben. Dieser soll ihm gesagt haben, dass man „in Berlin sehr verärgert über diese Veröffentlichung ist“. Man wünsche sich, dass der Bericht entsprechend neu formuliert werde und die Namen der Münchner Experten ersetzt würden durch die der zweiten Gruppe. Hölscher lehnte ab.
Am 3. Februar veröffentliche eine andere Fachzeitschrift, „Science“, dann einen Artikel, in dem sie sich auf die Einwände des RKI bezieht und Rothes Bericht als „fehlerhaft“ bezeichnete.
Und obwohl Clemens Wendtner von der München Klinik Schwabing schon am nächsten Tag seine Erkenntnisse, wonach bereits Infizierte mit schwachen Symptomen infektiös sind, lancierte, blieben sowohl diese als auch die seiner Münchner Kollegen weitgehend unberücksichtigt.[...]"
Weiter ausführlich unter:https://www.focus.de/gesundheit/news/rk ... GESUNDHEITKommentar
Nachlässigkeit, Ungenauigkeiten und vor allem Konkurrenz-Denken an einer Stelle, an der es nun wirklich niemand gebrauchen kann, bis hin zu möglicherweise vorsätzlicher Unterdrückung von Untersuchungsergebnissen. So kann man eine Pandemie natürlich nicht bekämpfen.
Kleinkariertes Konkurrenz-Verhalten und ungenaues, eigentlich so nicht wissenschaftliches Arbeiten, zu dem auch das präzise Ausformulieren der Ergebnisse gehört, könnten hier eine Menge Erkrankte oder sogar Opfer verursacht haben, die mit sofortigem korrektem Handeln, das heißt, aufgrund des Ergebnisses frühere, strenge Maßnahmen einzuleiten, hätten wahrscheinlich vermieden werden können.