In der Kritik: Ratingagenturen

Hier wird das wirtschaftspolitische Profil für die Zeit nach der 2. Parteigründung diskutiert.

Re: In der Kritik: Ratingagenturen

Beitragvon AlexRE » Mi 9. Mär 2011, 12:30

Jetzt hat Moody`s Griechenland "in Grund und Boden" herabgestuft:

Die Ratingagentur Moody's hegt große Zweifel an der Zahlungsfähigkeit Griechenlands. Sie senkte deshalb am Montag ihre Bonitätsnote für das hoch verschuldete Euro-Land gleich um drei Stufen von Ba1 auf B1. Griechische Staatsanleihen gelten damit als „hoch spekulativ“ - selbst das politisch instabile Ägypten wird besser bewertet.

(...)

Mit der schlechteren Bonitätsnote wird es für Griechenland noch schwieriger, sich aus dem Schuldensumpf zu ziehen. Je schlechter die Kreditwürdigkeit und je größer damit das Ausfallrisiko eingestuft wird, desto höhere Zinsen verlangen Investoren im Gegenzug für ihr Geld. Der Zinsabstand für zehnjährige griechische Staatsanleihen gegenüber der deutschen Bundesanleihe erhöhte sich nach der Moody's-Entscheidung um acht Basispunkte auf 9,13 Prozent.


Quelle: handelsblatt.com

Dabei können die überhaupt nicht pleite gehen, weil das nächste Rettungspaket "alternativlos" wäre und deshalb ohne jede politische Mitwirkung der belasteten Steuerzahler der europäischen Länder mit hoher Bonität geschnürt würde.

Mit anderen Worten: Das Privatunternehmen Moody`s bucht zusammen mit anderen Ratingagenturen Geld von Steuerzahlern zu Kapitalanlegern um, schaufelt also das Geld von arbeitenden Menschen auf die großen Haufen der Gewinner des verblichenen ehemaligen freien Wettberbs. Die Geldsäcke tragen nämlich nur auf dem Papier ein Risiko als Gegenleistung für die hohen Zinserträge, tatsächlich kassieren sie hohe Zinsen von Staaten mit rein nominell schlechter Bonität, die de facto die gute Bonität der für die Rettungspakete zuständigen Staaten haben.
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Re: In der Kritik: Ratingagenturen

Beitragvon AlexRE » Mi 6. Jul 2011, 13:38

Nach Griechenland ist jetzt Portugal an der Reihe:

Anleihen auf "Ramsch"-Niveau herabgestuft

Moody's Note empört Portugal und seine Retter

Die EU-Kommission hat in ungewöhnlich scharfer Form gegen die Herabstufung der Kreditwürdigkeit Portugals durch die Ratingagentur Moody's reagiert. "Das ist eine unglückselige Episode und wirft Fragen über das Verhalten der Ratingagenturen und deren Weitblick auf", sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn. Die Kommission bedauere die Entscheidung von Moody's. Portugal wurde bisher in Brüssel attestiert, das Sparprogramm engagiert umzusetzen.


Quelle: tagesschau.de


Diese Ratingagenturen sind wirklich ein trauriger Treppenwitz der Wirtschaftsgeschichte.

Privatunternehmen bestimmen, wie hoch die von Staaten zu zahlenden Zinsen für Staatsanleihen sind und die Steuerzahler der mit den schwachen Staaten verbundenen solventen Staaten fangen dann die Risiken auf, für deren Tragung sich private Anleger sehr hoch haben bezahlen lassen.

Money for nothing ...
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Re: In der Kritik: Ratingagenturen

Beitragvon AlexRE » Mo 11. Jul 2011, 18:23

Rösler will dem Problem durch mehr Wettbewerb begegnen (was auch sonst?) und bekommt direkt Widerspruch aus der eigenen Partei. Die wissen wirklich nicht mehr, was sie wollen und wo vorne und hinten sowie rechts und links ist:

Der Bundeswirtschaftsministers will kleineren Ratingagenturen bessere Zutrittchancen zu den Finanzmärkten verschaffen. Ob Röslers Vorstoß ankommt? In seiner Partei gibt es auch Fans der großen Bonitätswächter.

"Wir brauchen mehr Wettbewerb, um den ausufernden Einfluss der drei großen Ratingagenturen auf das weltweite Finanzsystem einzudämmen", sagte Rösler dem Handelsblatt. Das bedeute, dass die Marktzutrittschancen für kleinere Ratingagenturen weiter verbessert werden müssten."

(...)

Die sicherste Methode „sich vor Spekulation oder negativen Ratings zu schützen, ist ein ausgeglichener Staatshaushalt“, so Wissing.

Zugleich lehnte der FDP-Finanzexperte eine Haftung der Agenturen für ihre Urteile ab. Das sei nur schwer möglich, da es sich oftmals um in die Zukunft gerichtete Einschätzungen handele. „Schließlich käme wohl kaum jemand auf die Idee, den TÜV haftbar zu machen, wenn bei einem Auto die Bremsen versagen“, so Wissing.


Quelle: handelsblatt.de

Und so einer nennt sich "Experte". Der TÜV kann sehr wohl haften, wenn die Bremsen Schrott sind und der gute Kollege Autohändler trotzdem eine Plakette bekommt.
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Re: In der Kritik: Ratingagenturen

Beitragvon AlexRE » Mi 13. Jul 2011, 12:59

Vom Vereinsforum hierher kopiert:

Issomad hat geschrieben:Diese dämlichen Ratingagenturen können sie sich auch ganz sparen, wenn sie das ganze kaputte Finanzsystem abschaffen.

Früher haben Banken nur Kredite an Privatiers und Firmen vergeben und das Geld der Bürger verwaltet und Börsen haben nur Aktien gehandelt.

Damit konnten alle gut leben auch ohne diese Investment- und Hedge-Fonds.


Momentan ist der Finanzmarkt so unübersichtlich, dass viel zu leicht ganze Volkswirtschaften ruiniert werden können. Keine Einzelpersonen sollten über schnelle Transaktionen von Milliarden von Euros, die ihnen nichtmal gehören, bestimmen dürfen ...

Ein 'back to the roots' würde die finanzielle Lage wieder stabilisieren ...


Früher konnten die Kapitalbesitzer ihren Bedarf an Zinsen und Mieten auch noch aus der Realwirtschaft abdecken. Nach Jahrzehnten stark wachsender Vermögen (insbesondere Großvermögen) und stagnierender Realeinkommen aus Arbeit aller Art (einschließlich Unternehmerlöhne) ist das aber nicht mehr möglich. Jetzt sind die Kapitalbesitzer gezwungen, Geschäftsmodelle zu generieren, die auf Wetten gegeneinander hinauslaufen.

Die Verlierer muss dann der Steuerzahler auffangen, weil sie "systemrelevant" sind. Das kann so natürlich nicht ewig funktionieren.
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Re: In der Kritik: Ratingagenturen

Beitragvon DJ_rainbow » Mi 13. Jul 2011, 13:03

Am Ende machen aber die Rating-Agenturen nur das, was "man" von ihnen fordert.

Bei der Lehman-Pleite kam ja bekanntlich raus, dass die Ratings für den ganzen Schrott viel zu gut waren, weil die Agenturen nicht streng genug bewertet haben. Jetzt bewerten sie streng - und es ist wieder nicht richtig.

Damit will ich das teilweise halbseidene Agieren der Agenturen nicht verharmlosen - aber man stelle sich vor, S & P u. a. würden die PIIGS nach den Prä-Lehman-Standards und damit viel zu gut bewerten. Ob das - angesichts der Fakten im Südland - besser wäre?

Letztendlich machen die Agenturen nämlich nichts anderes als ihren Job: Ausfallrisiken bewerten. Dass hier durchaus mehr Wettbewerb not täte, bleibt unbestritten. Eine von der EU getragene Ratingagentur lehne ich aber ab - was die von Recht und Gesetz halten, haben sie mit dem vertragswidrigen Bailout hinlänglich bewiesen.
In der Demokratie mästen sich Sozialisten in Parlamenten. Im Sozialismus hungern Demokraten in Zuchthäusern und Arbeitslagern.

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Re: In der Kritik: Ratingagenturen

Beitragvon Livia » Mo 15. Aug 2011, 15:40

DJ_rainbow hat geschrieben:Am Ende machen aber die Rating-Agenturen nur das, was "man" von ihnen fordert.

Bei der Lehman-Pleite kam ja bekanntlich raus, dass die Ratings für den ganzen Schrott viel zu gut waren, weil die Agenturen nicht streng genug bewertet haben. Jetzt bewerten sie streng - und es ist wieder nicht richtig.

Damit will ich das teilweise halbseidene Agieren der Agenturen nicht verharmlosen - aber man stelle sich vor, S & P u. a. würden die PIIGS nach den Prä-Lehman-Standards und damit viel zu gut bewerten. Ob das - angesichts der Fakten im Südland - besser wäre?

Letztendlich machen die Agenturen nämlich nichts anderes als ihren Job: Ausfallrisiken bewerten. Dass hier durchaus mehr Wettbewerb not täte, bleibt unbestritten. Eine von der EU getragene Ratingagentur lehne ich aber ab - was die von Recht und Gesetz halten, haben sie mit dem vertragswidrigen Bailout hinlänglich bewiesen.



Dieser Meinung bin ich auch, nur dass die Raitingangenturen auch bei den Länder Amerika, Griechenland, Portugal, Spanien und Italien zugewartet haben wobei längst bekannt war, dass sie hoch verschuldet sind. Jetzt sind alle entsetzt und finden diese Agenturen eine Schande. Die EU will eine egene Agentur, natürlich eine die man bestechen kann und so wäre das Problem gelöst. Man sollte diese Länder pleite gehen lassen, wieder ihre Währung einführen, so dass sie die eigene Währung abwerten könnenn wenn es prekär wird. Das war ja bis vor der Einführung des EUROS so.
Viele Leute würden bereitwillig zugeben, dass sie sich langweilen; aber kaum einer würde zugeben, dass er langweilig ist.

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Re: In der Kritik: Ratingagenturen

Beitragvon GasGerd » So 15. Jan 2012, 18:18

Zur Herabstufung Österreichs durch S&P:

"Immerhin haben mit Fitch und Moody's die anderen beiden großen Ratingagenturen die Bestnote Österreichs (AAA) jüngst bestätigt, erinnert Nowotny und verweist darauf, dass die Märkte in der Regel erst dann reagierten, wenn zwei Agenturen die Bewertung verschlechtern. S&P sei "sehr viel aggressiver und sehr viel politischer" als die anderen beiden Agenturen. Der heutige Schritt sei "eine politische Aktion, wenn ganz Europa auf einen Schlag heruntergestuft wird".


weiter lesen: http://www.gmx.at/themen/finanzen/euro-krise/848n684-s-p-entzieht-oesterreich-aaa#.A1000146"

Aha, S&P ist politisch aggressiv, übt mithin politische Macht aus. Und ich Naivling dachte immer, in der westlichen Welt gäbe es nur durch freie und geheime Wahlen legitimierte politische Machtpositionen.

Wie dem auch sei, fest steht jedenfalls, dass auch die Finanziers der Rettungsfonds irgendwann höhere Zinsen für Kredite bezahlen müssen, wenn sie heruntergestuft werden. Mit der Rettung der großen Vermögen in Europa und weltweit haben sie ja ihre eigene Bonität belastet. Folglich lassen jetzt die Kapitalbesitzer, deren Ärsche gerettet wurden, von ihren politischen Machtausübungsorganen - den Ratingagenturen - Arschrettungsgebühren bei den Rettungskräften erheben.

Es wird allerhöchste Zeit, dass die Wähler in der gesamten demokratischen Welt verstärkt darauf achten, dass die Gewählten keine nicht gewählten politischen Mächte neben sich dulden. Dieser politische Monumentalfehler müsste völlig unabhängig von parteipolitischen Ausrichtungen zwingend zur Abwahl der Verantwortlichen führen, sonst geht es mit der Demokratie immer weiter bergab.
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Re: In der Kritik: Ratingagenturen

Beitragvon Uel » Mo 23. Jan 2012, 12:25

... es soll losgehen ... kann also auch schneller gehen, wenn europäische Geld"säcke" betroffen sind:

Europäische Rating-Agentur bis zum Sommer aus der Taufe:
http://www.wienerzeitung.at/themen_channel/wzglobalisierung/wirtschaftspolitik/429350_Europa-sagt-AAA.html
Liebe Grüße
von Uel

Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke: --- Kein Plan übersteht den ersten Feindkontakt --- (gefunden bei Vince Ebert) Mein Zusatz: ... der Feind kann auch Realität heißen!
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Re: In der Kritik: Ratingagenturen

Beitragvon Livia » Do 3. Jan 2013, 10:19

Ratingagentur Moody's warnt USA vor Herabstufung

Nach dem Kompromiss um das US-Staatsbudget hat die Ratingagentur Moody's den Kongress zu weiteren Schritten zur Reduzierung des riesigen Defizits aufgefordert. Andernfalls drohe den USA ein Entzug der Bestnote "Aaa".

Das vom Kongress verabschiedete Paket zur Umschiffung der sogenannten Fiskalklippe gehe nicht weit genug, warnte die Ratingagentur am Mittwoch. Unter anderem gehe die Einigung nicht auf die Schuldenobergrenze ein, die zum Ende des Jahres 2012 erreicht wurde.

Moody's hatte bereits im September damit gedroht, die Kreditwürdigkeit der USA um eine Stufe herabzusetzen, sollten die Verhandlungen über den US-Haushalt scheitern. Die Ratingagentur beliess den Ausblick für die US-Kreditwürdigkeit am Mittwoch bei "negativ".

Die USA stossen voraussichtlich Ende Februar an ihre selbst gesetzte Schulden-Obergrenze. Moody's will nun abwarten, wie sich die Debatte über die Erhöhung dieser Grenze in den kommenden Monaten entwickelt.

http://www.bluewin.ch/de/index.php/24,7 ... chaft/sda/
Viele Leute würden bereitwillig zugeben, dass sie sich langweilen; aber kaum einer würde zugeben, dass er langweilig ist.

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Re: In der Kritik: Ratingagenturen

Beitragvon AlexRE » Do 3. Jan 2013, 11:02

Livia hat geschrieben:http://www.bluewin.ch/de/index.php/24,731417/Ratingagentur_Moodys_warnt_USA_vor_Herabstufung/de/news/wirtschaft/sda/


Die andere große Ratingagentur hat die USA schon vor geraumer Zeit herabgestuft:

Die Ratingagentur Standard& Poor's (S&P) bewertet die USA seit bald eineinhalb Jahren nur noch mit "AA+". Sie sieht sich durch den Kompromiss im Haushaltsstreit nicht zu einer Heraufstufung der Kreditwürdigkeit des Landes veranlasst. Die Einigung ändere nichts am "negativen" Ausblick, urteilten die Bonitätswächter.


So what? Die von den großen Industriestaaten zu zahlenden Zinsen können sie damit nicht mehr nach oben manipulieren, weil das Angebot an Geld an den Kapitalmärkten den Bedarf der Schuldner mit hoher Bonität übersteigt. Die von verantwortungslosen Politikern nicht moderierte Macht der Plutokraten endet an der Autorität des Gesetzes von Angebot und Nachfrage.
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